Inception (#) von Christopher Nolan. USA/England, 2010. Leonardo DiCaprio, Marion Cotillard, Ellen Page, Joseph Gordon-Levitt, Ken Watanabe, Cillian Murphy, Tom Hardy, Tom Berenger, Michael Caine, Pete Postlethwaite

   Offensichtlich schwebte Christopher Nolan diesmal eine Verschmelzung seiner bisherigen Filme vor, das heißt eine Mischung aus Metaebene und Batman, und man braucht keine hundertvierzig Minuten, um zu kapieren, wer das Rennen gewonnen hat, und zwar klar gewonnen hat. Nach all den Lobeshymnen auch der sogenannten anspruchsvollen Kinokritik habe ich den Film mit einiger Erwartung gesehen, und diese Erwartung ist kurz gesagt enttäuscht worden. Nolan wählt die Variante, mit der man gewöhnlich Kinder bei der Stange hält: Reizüberflutung ohne Ende, damit nur ja keine Fragen kommen. Wir werden also mit einem Action- und Bilderrausch bombardiert und kommen in all der Turbulenz kaum dazu, die eigentliche Substanz der Story und der Idee zu hinterfragen. Wenn wir das nämlich täten, fänden wir heraus, dass es allzu weit nicht damit her ist.

   Es geht im Groben darum, das Unterbewusstsein anderer Menschen zu manipulieren, indem man einen Gedanken sät und ihn sich ausbreiten und wirken lässt. Leonardo DiCaprio alias Cobb ist ein Profi auf dem Gebiet, via „dream-sharing“ in das Gehirn anderer einzudringen, nur hat er nach dem Tod seiner Frau eine Menge Ärger, denn nicht nur wird er von seinen Kindern getrennt, er wird auch noch wegen Mordes gesucht. Nun erhält er von einem japanischen Geschäftsmogul die Chance, sein altes Leben zurück zu bekommen, wenn es ihm gelingt, ein konkurrierendes Imperium zu spalten. Er muss den Erben dieses Imperiums dazu bringen, selbiges zu splitten, gegen den ausdrücklichen Wunsch des sterbenden Vaters, der natürlich nach dem Monopol strebte. Cobb sammelt ein Team um sich und los geht die wilde Fahrt.

   Grundsätzlich gilt: Kompliziert ist nicht gleich komplex. Zwar benötigt man zwischendurch schon mal eine Landkarte, um im Blick zu behalten, in wessen Traum und auf welcher Traumebene man sich gerade befindet, aber das an sich hat noch keine Substanz. Die Idee der Manipulation der Gedankenwelt ist clever, das Spiel mit Traum, Projektion und Realität und das zunehmende Verwischen dieser Ebenen auch, doch hat Nolan meiner Ansicht nach viel zu wenig daraus gemacht, er hat auch viel zu wenig Zeit dazu, denn er widmet sich vorwiegend der Choreographie rasanter Krawummaction à la James Bond. Das aber kann heutzutage jeder, das wollte ich diesmal auch gar nicht sehen und war schon überrascht von dem krassen Überhang oberflächlicher Effekte. Natürlich ist das durchweg schick gestylt, die Bilder sind streckenweise sehr imposant, vor allem wenn die Fantasyelemente der Traumweltarchitektur zum Tragen kommen, doch bei Tageslicht besehen handelt es sich um wenig mehr als nette Spielereien, denen zumeist der nötige Unterbau fehlt. Das Motiv des eingepflanzten Gedankens und seiner möglichen Auswirkungen wird ebenso flüchtig gestreift wie die Idee des Einbruchs in anderer Menschen Träume. Dazu gibt’s dann noch ein paar Albernheiten wie etwa die „Kicks“, die es braucht, um die Traumebene zu verlassen, oder das „Limbo“, eine Art unerforschtes Unterbewusstsein, in das sich niemand so recht traut, zwar war Cobb schon mal dort, doch mehr erfahren wir darüber auch nicht. Einzig Cobbs tragische Ehegeschichte hat das Zeug zu etwas mehr, die Eheleute, die sich in ihren selbst erschaffenen Welten verlieren und schließlich den sicheren Kontakt zur Realität verlieren, zumindest die Frau, die Traum und Wachsein nicht mehr trennen kann und sich schließlich in den Tod stürzt. Solche durchaus intensiven Momente werden aber ziemlich sicher gleich wieder überspielt von den nächsten Explosionen und Ballereien, sodass sich eine tiefergehende Wirkung nicht einstellen kann.

 

   In vieler Hinsicht ist dies eine leichtfertig vergebene Chance: Ein Drehbuch mit einigen interessanten und ungewöhnlichen Ideen, die nur besser hätten ausformuliert werden müssen. Ein potentiell interessantes Spiel mit Wahrnehmungs- und Realitätsebenen, damit verbunden natürlich auch Anspielungen auf das Medium Film, das auch auf vielfältige Weise mit Projektionen und Traumwelten zu tun hat. Und vor allem eine wirklich herausragende Besetzung, allesamt exquisit ausgewählte Darsteller, die ihre Sache exquisit machen, nur gehen die Herrschaften zu oft unter im allgemeinen Lärm, siehe oben. Meiner Meinung hat nach Nolan die perfekte Verquickung von Kunst und Kommerz mit diesem Film noch längst nicht hingekriegt. Sicherlich ist er ein Autor/Regisseur mit Ambitionen, doch fehlt ihm hier noch die nötige Konsequenz, um diese Ambitionen auch vernünftig umzusetzen. (4.8.)