Akadimia Platonos (Kleine Wunder in Athen) von Filippos Tsitos. Griechenland/BRD, 2009. Antonis Kafetzopoulos, Anastas Kozdine, Titika Saringouli, Giorgos Souxes, Konstantinos Koronaios, Panayiotis Stamatakis, Maria Zorba

   Wetten, dass der deutsche Titel wieder totaler Blödsinn ist? Man muss wohl kein Altsprachler sein, um zu kapieren, dass im Original nix von Wundern und Athen zu sehen ist, aber shit was drauf, das hier ist ein Sommerfilmchen und jetzt ist Sommer, und weshalb soll ich mich immer über den gleichen Quatsch aufregen...

   Uns wird eine kleine Gruppe Athener  vorgestellt, darunter emsige Ladenbesitzer, die ihr Tagwerk mehr oder minder damit zubringen, morgens ihren Kiosk aufzuschließen, den Tag gemeinsam abhängend vor einem der Läden auszuharren und abends wieder zuzuschließen. Verschiedene Irritationen bringen ihr träges, gleichförmiges und höchst unproduktives Leben in unerwartete Wallung: Ein immer größer werdender Trupp Chinesen kreuzt auf und zieht in der Nachbarschaft selbst ein Geschäft hoch, das die sprachlos glotzenden Einheimischen binnen kurzem weit übertrumpfen wird, was Umsatz, Einsatz und Geschäftstüchtigkeit betrifft. Noch viel dramatischeres erlebt Stavros, in dessen Wohnung urplötzlich ein fremder Albaner aufkreuzt, der behauptet, sein Bruder zu sein, der einst auf der Flucht der Familie über die grenze zurückgelassen wurde. Zugleich geht mit Stavros’ altem Mütterchen eine gar wundersame Wandlung vor sich, denn die bis dahin fast schon totenstarre Dame blüht plötzlich wieder auf, spricht fließend Albanisch und enthüllt dem entgeisterten Stavros einige Wahrheiten über ihre Vergangenheit. Stavros gerät urplötzlich in größte Not, denn just die Albaner sind es ja sonst, die man längst als den eigentlichen, traditionellen Feind ausgemacht hat, sämtlich dumme, kriminelle Taugenichtse und ein großer Schaden für die blühende griechische Volkswirtschaft.

   Aus dieser Konstellation entwickelt sich eine spröde Komödie über Identitäten und Vorurteile, in der am Schluss alles wie zuvor zu sein scheint, und in Wahrheit doch alles anders ist. Genau wie seine gutmütigen und einfältigen Freunde ist Stavros kein wirklich engagierter Rassist, er hat sich wie die anderen mit einer trägen, eher passiven Form der Fremdenfeindlichkeit eingerichtet, ganz einfach weil jeder ein Feindbild braucht, und andererseits sind die Jungs viel zu lethargisch, um wirklichen Schaden anrichten zu können, und das wollen sie ja auch nicht. Auch Stavros überwindet die anfängliche Abwehr nach und nach und versucht wenigstens, sich mit der Idee anzufreunden, er könne selbst ein Albaner sein, was ihn natürlich sofort von den Jungs ausschließen und sein gesamtes überschaubares Weltbild zum Einsturz bringen würde. Er muss jedoch einsehen, dass sein vermeintlicher Bruder gar kein so übler Kerl ist, und er sieht ebenfalls ein, dass es der Mutter schlagartig richtig gut geht, wenn sie ihre beiden Söhne vereint beieinander hat, auch wenn er dafür einen peinlichen Abend im albanischen Kulturverein zu überstehen hat. Die erneute Wende kommt nach Mamas Tod, als der verlorene Bruder gesteht, dass er sich gar nicht so sicher ist und dass die Frau auf seinem Foto vielleicht doch nicht Stavros’ Mama ist. Immerhin ist Stavros’ so dazu gekommen, ein paar Dinge in Frage zu stellen und an einigen unverrückbaren Wahrheitern zu rütteln.

 

   All dies verwurstet der Film mit trockenem, kauzigem Humor, nicht allzu vielen Worten, dafür einem sehr sympathisierenden Blick auf kleingriechische Alltagstristesse, die etwas von der allgemeinen Krise erahnen lässt, die das Land seit langem befallen hat. Kaurismäki goes Athens, so ungefähr könnte ein Motto lauten, wenn man sich die stoisch vor sich hindümpelnden Gesellen vor Stavros’ Kiosk so anschaut, und auch hier liegt dem Erzählton eine grundsätzliche Liebe für seine Figuren zugrunde, die wie gesagt alle keine üblen Kerle sind (auch wenn sie Status Quo lieben) und es eigentlich auch nicht bös meinen, wenn sie abfällig über Albaner reden. Für eine ernstgemeinte Satire auf den ganz alltäglichen Rassismus ist der Film, ein wenig zu gemütlich und leger, als amüsante Kiezkomödie aus einer Stadt weit ab der touristischen Pfade mit einigen Seitenhieben auf nachbarschaftliche Traditionen und Konflikte auf dem Balkan kann er aber dennoch überzeugen. Natürlich hat er nicht das Temperament eines italienischen Sommerfilms, aber die Griechen sind halt eben etwas anders, und mit Angelopoulos verglichen ist das hier schon der pure Überschwang. (26.7.)