Max Manus (#) von Joachim Rønning und Espen Sandberg. Norwegen/Schweden/BRD, 2008.  Aksel Hennie, Agnes Kittelsen, Nicolai Kleve Broch, Petter Næss, Kyrre Haugen Sydness, Knut Joner, Christian Rubeck, Mats Eldøen, Victoria Winge, Ken Duken, Oliver Stokowski

   Fast zeitgleich arbeiten die Skandinavier nun also ihre Widerstandslegenden auf, die Dänen mit „Tage des Zorns“, die Norweger mit „Max Manus“. Es muss den Leuten ganz offenbar eine Herzensangelegenheit sein, den heroischen Kämpfern gegen den Naziterror ein Denkmal zu setzen – vermutlich ist es auch wichtig für die nationale Mythologie. Sogar die Deutschen drehen am liebsten über den Widerstand, denn wer will schon was über die vielen Millionen Mitläufer wissen? Nur die armen Schweden stehen etwas bräsig daneben – aber die haben ja immerhin ihren Raoul Wallenberg.

   Historiker meutern wieder, dass der Film es nicht mit allen Daten so genau nehme und sich im Interesse einer publikumswirksamen Version gewisse Freiheiten erlaube, und natürlich haben sie genauso recht wie andere, die dem Film anlasten, ein wahrheitsgetreues, differenziertes Bild vom norwegischen Widerstand zugunsten einer gefälligen, markttauglichen Darstellung verwässert zu haben. Alles richtig, keine Frage, und auch ich habe als Zuschauer zu keiner Minute übersehen können, dass dies hier im Kern ein kommerzielles und deshalb notwendig geglättetes Produkt ist, und habe mir zugleich gewünscht, auch mal einen Film, von anderem Format aus jener Zeit zu sehen. Nun, heutzutage wird dieser Wunsch wohl eher fromm und unerfüllt bleiben, schließlich rückt der Zweite Weltkrieg langsam aber sicher in jene Sphäre, da sich Historie und Mythos bereits zu überlagern beginnen, und wenn es um besagte Denkmäler geht, nun ja, die sind halt immer etwas simpel, oder nicht?

   Dennoch erlebe ich hier aber auch sehr spannende und nervenaufreibende zwei Stunden, die einen überaus plastischen Eindruck davon vermitteln, unter welchen Bedingungen und zu welchem Preis Widerstand ausgeübt werden musste. Manus’ Biographie wird anfänglich gerafft, wir steigen ein im finnischen Winterkrieg mit der ersten traumatischen Kriegs- und Gewalterfahrung, schwenken dann rüber in das just besetzte Oslo, wo sich eine Gruppe junger Männer spontan zusammenrauft, weil die eben nicht einsehen wollen, dass die Nazis so einfach und ohne nennenswerten Widerstand das ganze Land besetzten können. Zunächst hat das ganze eher abenteuerliche, naive und leichtsinnige Züge, doch die Haltung der Gruppe ändert sich schnell, als sie erkennen, mit welchem Gegner sie es zu tun haben. Hier geht es um bittersten Ernst, um Leben und Tod, um rücksichtslose Verfolgung, grausamste Folter und den entschlossenen Willen der deutschen Besatzer, jedweden Widerstand sofort im Keim zu unterdrücken und zwar mit allen Mitteln. Die ersten erfolgreichen Sabotageanschläge gegen deutsche Schiffe im Osloer Hafen werden folglich mit Erschießungen und brutalen Razzien beantwortet, was die Widerständler vor ihr elementares Dilemma stellt, dass nämlich die Zivilbevölkerung im schlimmsten Fall die Strafe für ihre Aktionen bezahlen muss. Manus und seine Freunde flüchten immer wieder über die Grenze nach Schweden oder tauchen längere Zeit in Schottland unter, wo sie ausgebildet werden. Die allgemeine Strategie bleiben Sabotageakte, die die Deutschen daran hindern sollen, von hier aus Truppentransporte in die Kriegsgebiete zu entsenden, wie beispielsweise 1944 nach dem Beginn der Invasion. Die Situation in Norwegen wird immer bedrohlicher für sie, die Deutschen setzen Spitzel ein, morden wahllos und kaltblütig, der Rückhalt der Gruppe in der Bevölkerung steht auf wackeligen Füßen, und immer wieder sterben Freunde bei riskanten Aktionen, was Manus zusehends in Verzweiflung und Alkoholsucht treibt. Nach der Befreiung Norwegens sieht man ihn niedergeschlagen und tief erschüttert vor der Frage, ob nicht alles vergeblich gewesen sei und warum nicht er gestorben sei sondern seine besten Freunde.

 

   Zwischendurch gibt’s also auch immer mal eine kleine Prise Innenschau, doch im großen und ganzen ist der Film doch deutlich an Aktion interessiert, und die bereitet er zugegeben sehr gekonnt auf. Es gibt Szenen von atemberaubender Spannung, beispielsweise das Anbringen der Haftminen an Schiffsrümpfen direkt unter den Augen der deutschen Soldaten, dann wieder Momente von eher leiser Dramatik, wenn etwa innerhalb der Gruppe darum gerungen wird, wie man vorgehen soll, welche Risiken noch verantwortet, welche Opfer noch erbracht werden können. Gerade Manus’ zunehmendes Versinken in Düsternis und Selbstzweifel bewahrt ihn davor, ein reiner Klischeeheld zu sein, was sein Mut und seine Entschlossenheit durchaus nahe legten, seine Mitstreiter hingegen bleiben im großen und ganzen farblos, und auch die deutschen Gegenspieler kommen nicht über die übliche Nummer sanft-dämonischer Sadisten hinaus. Am wohlsten fühlt sich der Film immer dann, wenn er intensiv und sehr gekonnt vom Leben der Widerständler erzählt, von ihren Plänen, ihrer Flucht, ihrer Organisation. Wenn das dann vereinfachend ist, aber im Dienste einer guten und richtigen Sache, dann soll es mir recht sein. Wie unbeliebt man sich mit zuviel Wahrheitsliebe machen kann, hat bekanntlich Marcel Ophuls nach „Le chagrin et la pitié“ erfahren, als er dem mythisch verehrten französischen Widerstand gründlich an den Karren gepinkelt und damit eine heiße Diskussion im eigenen Land losgetreten hat. Dieser Film hier ist weit von solcher Sprengkraft entfernt, hat aber auch gänzlich andere Ziele und darf schon deshalb nicht mit den wenigen wirklich ambitionierten Analysen jener Zeit in einen Topf geworfen werden. (17.2.)