Micmacs à tire-larigot (Micmacs – uns gehört Paris !) von Jean-Pierre Jeunet. Frankreich, 2009. Dany Boon, Julie Ferrier, Dominique Pinon, Yolande Moreau, Jean-Pierre Marielle, Omar Sy, Marie-Julie Baup, André Dussolier, Nicolas Marié
„Kleine Intrigen auf Teufel komm raus“, so ungefähr könnte man den französischen Filmtitel übersetzen (und nicht so kreuzdoof wie die Deutschen), und dann hat man schon eine erste Ahnung, worum es jedenfalls zum Teil hier geht. Mit Genuss und nach Herzenslust werden kleinere und größere Ränke und fiese Tricks ersonnen, einzig mit dem Ziel, zwei gemeine Schweinehunde so richtig aufs Kreuz zu legen, und zwar ein für allemal. Das hört sich nach einem Lustspiel an, ist natürlich auch eins, hat aber auch einen ganz seriösen Hintergrund, es geht nämlich gegen zwei konkurrierende, benachbarte Waffenkonzerne, die ihre Millionenprofite mit dem Tod, dem Leid und dem Unglück vieler Mensachen machen, die korrupte Diktatoren unterstützen, die „schmutzige“ Kriege mit dem nötigen Werkzeug ausrüsten und die mit ihren Landminen viel Elend und Verstümmelung anrichten, alles natürlich ganz weit weg vom feinen Büro daheim und darum alles ganz uninteressant für die Herren Anzugträger, die sich niemals selbst die Hände beschmutzen würden. Nun geschieht es aber, dass Herr Bazil irrtümlich eine Kugel in den Kopf kriegt, auf der just der Name eines der beiden Konzerne gestempelt steht, und das der Herr Bazil einst seinen Vater durch eine verunglückte Minenräumung verlor und damit auch seine Mutter, sein Zuhause und seine Kindheit, hat er ohnehin eine Heidenwut auf die verbrecherischen Großverdiener. Zusammen mit einer Bande skurriler, im Untergrund hausender Gestalten heckt er einen komplexen Racheplan aus, der selbst für einen, der kein Geschoss im Hirn stecken hat, eine reife Leistung wäre. Am Ende steht der totale Triumph, ein entlarvendes Video bei youtube und vermutlich der Beginn einer zarten Liebe.
Jeunet hat hier seinem einzigartigen Kinouniversum ein weiteres wunderbares Märchen hinzugefügt, Märchen deshalb, weil anders als im wirklichen Leben diesmal tatsächlich die Schurken öffentlich bloßgestellt werden, und wunderbar deshalb, weil all dies mit soviel Witz, Charme und Einfallsreichtum inszeniert wird, wie es in solchen Fällen wohl nur Jeunet tut (siehe auch die „Amélie“). In zügigen Montagen eilt er durch Basils traurige Biografie, die darin gipfelt, dass er einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort herumsteht, und da der Operateur per Münzwurf entscheidet, das Projektil an seinem Ort zu belassen, lebt er eben mit der Option, jederzeit umfallen und tot sein zu können. Unter jenen Gestalten, die da abseits der Gesellschaft in den selbstgebauten Katakomben einer Müllhalde hausen, ist Bazil keineswegs der Skurrilste, doch man begegnet sich mit Respekt, Zuneigung und Solidarität, und so kann Bazils aufwändiger Plan detailgetreu und perfekt in die Tat umgesetzt werden, auch wenn hier und da ein wenig Improvisationstalent gefordert wird. Zwischen groteskem Slapstick, poetisch-versponnenem Witz und frecher Satire gegen das Kriegsbusiness findet Jeunet sofort seinen unnachahmlichen Ton, eine Komik, die zeitlos und in einem Paralleluniversum angesiedelt ist, die aber dennoch Berührungspunkte mit dem Hier und Jetzt hat. Sein Paris ist ebenso ein ganz eigenes Paris, wie die Leute, die darin wohnen, denn sie sehen nicht nur häufig komisch aus, die tun und sagen auch komische Dinge, und alles zusammen genommen entwickelt eine autonome Dynamik, die in diesem Film ganz schön in Fahrt kommt. Neben den vertrauten schrägen Gesichtern hat nun auch Dany Boon einen Platz bei Jeunet gefunden, und ich finde diese Maßnahme genial, denn Boon passt hundertprozentig in Jeunets Welt, und noch nie fand ich ihn als Komiker so eindrucksvoll und originell wie hier.
Man muss sich schon ein bisschen auf diese verschrobene Welt einlassen, doch gibt es ältere Jeunet-Filme die den Zuschauer da noch ganz anders fordern. Das hier ist schon alles in allem recht zugänglich, sehr warmherzig, sehr charmant und extrem lustig. Ich hoffe nur, dass Jeunet nicht so schnell aus dieser Welt aussteigen möchte, denn sie wird uns hoffentlich noch manche schöne Kinostunde bescheren. (2.8.)