Nothing personal (#) von Urszula Antoniak. Irland/Niederlande, 2009. Lotte Verbeek, Stephen Rea
Sie ist eine Art holländische Ausgabe von Sandrine Bonnaire in „Vogelfrei“, ein junges Mädchen, das nur mit Rucksack durchs wilde Irland trampt, vielleicht auf der Flucht vor irgendwas, sicherlich aber auf dem Weg nach nirgendwo. Er ist ein Einsiedler draußen in der westirischen Wildnis, der nach dem Tod seiner Frau ganz allein lebt, umgeben von Meer und Moor. Sie begegnen sich, und sie stellt strikte Regeln auf: Keine Fragen, keine Selbstoffenbarung, nur nicht persönlich werden. Ganz langsam nur kommen sie einander näher, und als er am Schluss wie prophezeit im Schlaf stirbt, empfindet sie tatsächlich richtige Einsamkeit.
Manchmal reicht so was tatsächlich, um einen wirklich eindrucksvollen Film zu machen, der kaum Worte braucht, der kaum eine Geschichte braucht, der nur zwei Menschen braucht, dazu eine gigantische Landschaft und vor allem das richtige Gefühl fürs Timing, fürs Spiel mit Nähe und Distanz, fürs Spiel mit Anziehung und Abwehr und dafür, wie man Gefühle anders als mit Worten ausdrückt und sie eben dennoch ausdrückt. Ein ruhiger, niemals aber träger Erzählrhythmus, grandiose, aber nie zum Selbstzweck eingesetzte Bilder (ich hatte fast schon vergessen, wie unerhört schön Irland ist...) und immer die eine oder andere kleine Geste, die das ganze voranbringt, die eine neue Nuance einführt, ein neues Detail in einer Beziehung, die anfänglich reichlich sperrig erscheint, dann aber doch weicher und wärmer wird, unter anderem, weil er geduldig und beharrlich bleibt und sie doch nicht so schroff und kratzbürstig ist, wie sie auf den ersten Blick glauben machen will. Ihr unbedingter Wille zur Unabhängigkeit, zur Freiheit, einfach alles hinterwegs zu lassen und drauflos zu marschieren mitten ins Land hinein, über Heide, Moor, Felsen, aus Mülltonnen zu essen und sich auch schon mal aus einem fahrenden Auto zu werfen, wenn der Scheißkerl am Steuer zudringlich zu werden droht, das alles wird nicht groß erklärt, es braucht auch keine Erklärung, denn sie will sowieso neu anfangen und probiert nun im Zusammenleben mit dem älteren Mann aus, ob und wie das geht. Er scheint auf den ersten Blick ruhiger, gefestigter zu sein, kann auf ihre widerborstige Masche auch mal mit Humor eingehen, hat aber auch so seine Abgründe und Widerhaken und legt scheinbar Wert darauf, diese zu erhalten. Ihre Beziehung funktioniert zumeist so, dass sie herausfordert, vorangeht und ihn mitzieht, während er ihr nach und nach Sicherheit und Mut gibt, sich fallen zu lassen und sich vielleicht sogar wieder zuhause zu fühlen. Das fängt bei den vielen Alltäglichkeiten an, mit denen Urszula Antoniaks fabelhaft gefühlvolles und intensives Drehbuch die Annäherung der beiden verbildlicht, und das ist so gut gelungen, dass der Film weder große Dramen noch laute Töne benötigt, um das zu zeigen, was er zeigen will. Es geht eben nicht immer gleich um die ganz große, alles hinwegschwemmende Liebe, es geht auch mal um den Weg in diese Richtung, und wie der anfängt. Füreinander da sein, sich erst mal ein paar Regeln bauen, nur um diese dann mit schöner und zunehmend vergnügter Regelmäßigkeit zu brechen, sich mal wieder einen Schritt vorwagen in vermintes Terrain und zu sehen, was passiert. Oder dann auch mal wirklich aufs Ganze zu gehen und sie bitten, ihn nachts zu bewachen, weil er befürchtet, im Schlaf zu sterben. Das anzuschauen macht soviel Spaß, weil die beiden Darsteller das so fantastisch spielen und das Konzept ihrer Regisseurin so wunderbar umsetzen. Wenige Begegnungen mit anderen Leuten (mal angenehme, mal weniger) unterbrechen diese Zweisamkeit , und das macht diesmal gar nichts, denn die beiden sind für sich schon stark genug, um einen ganzen Film zu tragen. Herausgekommen ist feinfühliges, intimes, karges Kino, das zur Abwechslung mal wieder erkundet werden will und keinen einfachen Konsum auf die Schnelle zwischendurch bietet. Mir soll’s recht sein, der Film ist Klasse, und danke auch, dass er mir mal wieder Irlands Schönheit in Erinnerung gerufen hat – und die Tatsache, dass es einfach keine gute Idee ist, in diesem Land seine Wäsche draußen zum Trocknen (!) aufzuhängen... . (3.5.)