Ondine (#) von Neil Jordan. Irland/England, 2009. Colin Farrell, Alicja Bachleda-Curuś, Alison Barry, Dervla Kirwan, Stephen Rea, Tony Curran, Emil Hostina
Von all den vielen Gesichtern des Mr. Jordan ist mir, glaube ich, das des irischen Märchenonkels und Fabulierers am allerliebsten. Ab und zu überkommt den Mann offenbar der unbändige Rang, mal wieder so richtig und ganz ungeniert drauflos zu spinnen ohne Rücksicht auf Grenzen und Konventionen, und gerade diese Filme sind dann zumeist entwaffnend charmant, unberechenbar und unterhaltsam.
So einer ist „Ondine“, die Geschichte des südirischen Fischers Syracuse, zumeist Circus genannt, eines etwas struppigen, mürrischen, unbeholfenen Ex-Alkoholikers und geschiedenen Familienvaters, der eines Tages eine junge Frau im Fangnetz hat und fortan versucht, das Geheimnis der fremden Schönen zu ergründen. Alsbald taucht ein grimmiger Herr auf, der offenbar Anspruch auf die Frau hat, und da Syracuse von einigen Seiten zugesetzt wird, verliert er kurzfristig die Kontrolle über die Dinge und alles geht beinahe schief – aber eben nur beinahe.
Es ist einfach schön zu sehen, wie souverän Jordan jene Ansprüche des Kommerzkinos, denen er sich sonst leider auch immer mal wieder unterwirft, rechts und links liegen lässt, und mit sichtlichem Behagen diese kleine Geschichte erzählt, die launig zwischen klassisch romantischen Mythen, alten irischen Volkssagen, erotischem Märchen und angedeutetem Krimidrama pendelt, wobei Jordan letztgenanntem Element nur im Vorbeigehen Aufmerksamkeit schenkt, und den Finstermann aus dem Osten eher als Katalysator benutzt, um den zuvor unentschlossenen und etwas schläfrigen Syracuse ein wenig in Wallung zu versetzen. Das gelingt, mehr ist für den Film nicht nötig, und das Motiv des Mädchens als rumänischer Drogenkurier wird bestenfalls grob umrissen und nie und nimmer ernsthaft verfolgt – ein MacGuffin, wenn man so will. Im Grunde ist dies viel eher ein friedlich dahinzockelnde irische Ballade, eine zauberhafte Liebesgeschichte natürlich, angereichert durch ein paar ebenso zauberhafte Motive und Nebenfiguren. Vor allem die nierenkranke, zeitweilig rollstuhlfahrende Tochter Annie, die Syracuses ratlose Spekulationen um Ondines Herkunft noch um einige Fantasyelemente bereichert und die fremde Frau gleichzeitig bereits als Freundin vereinnahmt sorgt für sehr viel Herz und Schwung. Aber auch die Begegnungen mit der griesgrämigen, noch immer saufenden Ex und die skurrilen Beichtstuhldialoge mit dem unkonventionellen Ortspfarrer sorgen für Spaß und geben Jordan Gelegenheit zu den witzigsten und schrägsten Dialogen, die man seit langem von ihm gehört hat. Gerade damit unterläuft er komplett jeglichen Ansatz zum Ernsten, Melodramatischen, sein Film bleibt immer leicht und lebendig, auch wenn sich einige dunkle Wolken in die berückend schöne irische Küstenlandschaft schieben und auch wenn Syracuse gegen Ende tatsachlich so weit ist, selbst wieder zur Flasche zu greifen, einfach weil er nicht weiß, was er tun soll. Der Twist zum Happy End kommt auch recht flott – Syracuse beschließt, Ondine zu heiraten, um ihre drohende Ausweisung zu verhindern – doch für mich als Zuschauer ist das gar kein Problem, weil Jordan so sehr der Logik, oder besser der fehlenden Logik eines Märchen folgt, dass in diesem Film einfach alles passieren kann und trotzdem in Ordnung ist.
Neben den berauschenden Bildern von der Halbinsel Baera (man müsste doch mal wieder auf die Insel fahren...) und dem schönen Erzählfluss bestechen natürlich die Typen hier, die, wie oben erwähnt, dem ganzen Leben und Humor verleihen. Zudem gibt Colin Farrell einen sehr sympathischen, liebenswürdig schmuddeligen Außenseiter mit viel Herz und Vergangenheit, und Alicja Bachleda ist natürlich betörend als die Nixe aus der Tiefe, die hinreißende Verkörperung einer rätselhaften Traumfrau, die nicht greifbar und deswegen umso begehrenswerter ist.
Bei all seinen unberechenbaren Um- und manchmal auch Irrwegen findet Jordan gelegentlich zu seinen irischen Wurzeln zurück, manchmal in etwas zu pompösen Politstücken, manchmal aber eben auch in solch liebenswerten, wunderschönen Filmen wie diesem hier. Kino pur für Genießer und solche, die sich gern auch mal auf etwas unkonventionellere Mischungen einlassen können. (27.10.)