The Messenger (#) von Oren Moverman. USA, 2009. Ben Foster, Woody Harrelson, Samantha Morton, Jena Malone, Steve Buscemi
So sieht der Krieg seit jeher aus: Es gibt die Anzugträger in den Büros, die andere in den Tod schicken. Es gibt die, die töten, es gibt die, die getötet werden und es gibt die, die überleben. Und seit einiger Zeit gibt’s nun auch noch die, die den Hinterbliebenen die Nachricht vom Tod ihres Ehemannes, Sohnes, Verlobten etc. überbringen, streng nach Vorschrift und mit bürokratisch vorgeschriebenem Wortlaut selbstverständlich. Eine triumphale Neuerung in Zeiten globaler Dienstleistungsmentalität. Statt des bekannten anonymen Telegramms von früher nun die persönliche Botschaft, der menschliche Kontakt – so wird der Krieg doch gleich erträglicher.
Dieser eindrucksvolle Film erzählt von zweien solcher Uniformträger, einem Sergeant und einem Captain. Der jüngere Will, schwer verwundet und traumatisiert von seinem Einsatz im Irak, wird dem älteren Haudegen Tony zur Seite gestellt, der selbst offenbar nie so richtig drin war im Kriegsgetümmel, dafür aber unter seiner coolen, rauen Schale ein überaus verletzliches und labiles Inneres offenbart. Sie stehen jederzeit auf Abruf, werden zu jeder Tages- und Nachtzeit rausgeklingelt, wenn es wieder einen Todesfall zu vermelden gilt, und dann müssen sie sich diesen Situationen stellen, müssen sich mit Wut, Verzweiflung, Ohnmacht und Aggressivität auseinandersetzen, und dürfen dennoch nichts tun außer betroffen daneben zu stehen, ihr Sprüchlein aufzusagen und um Gottes Willen jeden engeren Kontakt zu den Trauernden zu vermeiden. Als Will diese Grenze überschreitet, sich der frisch gebackenen Witwe Olivia nähert und sich auch von Tonys Ermahnungen nicht davon abbringen lässt, wird erstmals klar, dass sich die Verhältnisse zwischen den beiden Männern ändern, dass Will trotz seiner Verletzungen und Verstörungen, trotz seiner Schlaflosigkeit und den nächtlichen Wutattacken eigentlich der Stärkere von beiden ist, denn er kann Gefühle noch an sich heranlassen, während Tony sich längst in einen harten Kern vergraben hat, der erst aufbricht, als Will ihm einige seiner furchtbaren Kriegserlebnisse erzählt. Am Schluss zeichnet sich zwischen Will und Olivia vielleicht eine zarte Beziehung ab, doch sicher ist das nicht, während Tony allein bleibt wie zuvor.
Die Nation und der Krieg, den plötzlich niemand mehr will. Die Veteranen haben es genauso schwer wie all ihre Vorgänger egal zu welcher Zeit, sie sind allein mit ihren Alpträumen, ihren Traumata, den Schmerzen, der Angst, den seelischen Erschütterungen. Man möchte sie am liebsten aus dem öffentlichen Leben verbannen, aus dem kollektiven Bewusstsein radieren, weil sie Schwäche verkörpern, die Niederlage, das Scheitern dieser einst mit großem patriotischem Brimborium gepriesenen Mission, die genauso in Blut und Leid endete wie all ihre Vorgänger. Und wie in all diesen Fällen tragen niemals diejenigen die Folgen, die die Mission einst mit pompösen Worten ausriefen, sondern allein die, die ihren Arsch hinhalten und die, die den Tod ihrer Lieben zur Kenntnis nehmen müssen. Von diesen beiden Gruppen erzählt dieser Film, schon allein deshalb setzt er ein bemerkenswertes Zeichen gegen die offizielle (leider auch im Kino allzu dominante) Geschichtsschreibung, die sich ja doch lieber den Helden zuwendet. Hier gibt’s weit und breit keine Helden, hier gibt’s nur Verlierer: Bis ins Mark erschütterte Kriegsveteranen mit ihren verzweifelten Versuchen, irgendwie wieder Anschluss an das „normale“ Leben zu finden, im Innern dabei wohl wissend, dass ihnen genau das vermutlich niemals ganz gelingen wird. Verzweifelte Mütter, Väter, Ehefrauen, Kinder, deren Zukunft, Pläne und Träume ebenfalls erschüttert werden und von denen sehr viele daran scheitern werden, sich ein neues Leben aufzubauen und die Trauer zu überwinden. Auch die Angehörigen der Veteranen gehören dazu, die Freundinnen, die keinen Zugang mehr kriegen zu den traumatisierten Männern, die sie deswegen verlassen und sich in eine vermeintlich sichere und normale Existenz flüchten, fernab von den unberechenbaren, oft jähzornigen und gewalttätigen Typen, die sie nicht mehr wieder erkennen. Will und Tony sehnen sich dabei genau wie alle anderen nach etwas Nähe, etwas Sex, einer Frau, einer Familie oder was auch immer, haben einerseits stinknormale Bedürfnisse und müssen andererseits mit ihren extremen Erinnerungen und Erfahrungen leben und fertig werden. Will laboriert an der Trennung von seiner Kelly, platzt mit Tony auf ihre Hochzeit und provoziert fast noch einen großen Aufruhr, Tony hingegen ist über sowas schon längst hinaus und organisiert sich lieber flüchtige Bettgeschichten, weil ihn alles andere schon überfordern würde. Die jahrelange Konfrontation mit der Trauer anderer, das ständige Erleben von menschlichen Extremsituationen, hat ihn ausgebrannt, ausgehöhlt, und er braucht die von der Armee vorgegebenen Floskeln dringend als Schutz, hinter dem er sich vor all den Emotionen verstecken kann.
Ein Film mit sehr viel Einfühlsamkeit und Intensität, ein Film, der sich Zeit lässt, der sehr nahe dran ist an seinen Figuren, ein großartig gespielter und äußerst intensiv erzählter Film, der auf seine Art sehr viel Auskunft gibt über ein Land, das sich ebenfalls mit Vorliebe hinter einem Schutzwall verbirgt. Hier gibt es mal einen scharfen Blick hinter die polierte Hollywoodfassade, und man erlebt ein Land, das auf dem besten Wege ist, in ein ähnliches Trauma wie einst während des Vietnamkrieges zu fallen. Wie war das doch gleich mit der Geschichte, aus der man lernen sollte...? (21.6.)