The Road (#) von John Hillcoat. USA, 2010. Viggo Mortensen, Kodi Smit-McPhee, Charlize Theron, Robert Duvall, Guy Pearce
Die Apokalypse ist in den letzten Jahren immer mehr in Mode gekommen, was ja auch nicht weiter verwunderlich ist, wo wir doch so eifrig dran arbeiten! Sie nimmt verschiedene Formen an, am häufigsten sind es wohl Naturkatastrophen, mal aber auch der beliebten Nuklearkrieg oder eine rätselhafte Pandemie. Vordergründig spielt sich in der Regel irgendein mehr oder minder düsteres Spektakel ab, den besseren unter diesen Werken aber geht es eigentlich eher um die condition humaine, um die Frage, was nach dem Super-GAU vom Menschen übrig bleibt, wenn erst mal die ganze Zivilisationsfassade, die er um sich herum gezimmert hat, in Trümmern liegt und das blanke Überleben auf dem Programm steht.
Um genau dieses Thema geht es hier in dieser Verfilmung eines Romans von Cormac McCarthy, dessen oft reichlich pathetischer, archaischer Machismo à la „No country for old men“ mir eigentlich immer schon ziemlich suspekt war. Dies aber ist eine andere, eine starke Geschichte, und daraus ist ein starker Film geworden. Ein Vater ist mit seinem Sohn unterwegs durch ein zerstörtes, buchstäblich in Schutt und Asche liegendes Land. In kurzen Rückblenden erfahren wir, dass irgendeine Katastrophe vor mehreren Jahren dafür sorgte, dass der Planet langsam aber sicher stirbt. Die Ehefrau des Mannes, zum betreffenden Zeitpunkt gerade hochschwanger, verlor den Lebensmut und suchte in der Wildnis den Tod, er aber will nicht aufgeben und macht sich mit dem Sohn auf in Richtung Meer. Der Weg führt durch eine aschgraue, tote Welt, durch zerstörte Industriewüsten, über leere Straßen, vorbei an verlassenen Bauernhöfen und verfallenen Dörfern. Die Tiere sind längst schon alle tot, die letzten Pflanzen sterben ebenfalls, natürliche Lebensmittel sind nicht mehr zu bekommen und letzte Vorräte entweder sehr gut versteckt oder restlos verbraucht. Überall blutige Spuren von Mord und Brand, Kannibalismus, Plünderung, Massensuizid. Angesichts dieses erschütternden Untergangs predigt der Vater dem Sohn, dass man unbedingt seine Menschlichkeit, das Feuer in einem selbst, erhalten müsse, doch mit zunehmender Dauer der zermürbenden Reise und nach einigen furchtbar bedrohlichen Erlebnissen kommen ihm selbst diese Werte schrittweise abhanden. Nicht jedoch seinem Sohn, der ihn überleben und mit einer anderen Familie sein Glück versuchen wird.
Die düsteren, oft recht krassen Bilder machen mit der Apokalypse ziemlich ernst, die ausgebluteten, ausgebrannten, verdörrten Endzeitlandschaften liefern den trostlosen Hintergrund für eine Reise, auf der sich der äußerlich wahrnehmbare Horror nur als Spiegel dessen erweist, was sich in der Spezies Mensch abspielt. Alles, was man sich in einigen tausend Jahren erarbeitet und als sicher geglaubte Grundlage des Zusammenlebens festgelegt hatte, ist mit einem Mal ungültig, der Urinstinkt des Überlebens um jeden Preis hat wieder Oberhand gewonnen, und so rottet man sich in Baden zusammen und schlachtet alles nieder, was sich als essbares und leichtes Opfer anbietet. Die Grässlichkeiten nehmen bisweilen beachtliche Ausmaße an, der Begriff des Alptraumszenariums muss hier durchaus wörtlich verstanden werden, aber Regisseur Hillcoat hat das auch sehr gekonnt inszeniert und gestaltet. Kein Film, der seine Schauwerte um ihrer selbst willen ausstellt, sondern der darunter immer sein zentrales Thema verfolgt und variiert. Sind wir noch die Guten, fragt der Sohn den Vater einmal, als er in Notwehr einen Mann erschießen musste, und der Vater antwortet aus Überzeugung mit Ja. Am Ende der Reise, wenn der Vater bereits todkrank ist und weiß, dass er den Sohn allein zurücklassen muss, erkennt er selbst, dass auch ihm die Menschlichkeit Stück für Stück entglitten ist, das der Kampf um sein Leben und das des Sohnes ihn hat vergessen lassen, was er eigentlich nicht vergessen sollte. Zugleich ist ihm klar, dass er seine Hoffnung in seinen Sohn setzen wird, denn dafür, für diese Hoffnung, hat er all die Qualen auf sich genommen, und diese Kraft wird in dem Film als die eigentliche menschliche Antriebsfeder gezeigt und als die effektivste Gegenkraft zu all der Zerstörungswut. So gesehen ist der Ausklang ein notwendiger, wenn nicht alles in totaler Finsternis versinken will, von einem Happy End jedoch kann natürlich keine Rede sein, denn auch wenn der Sohn eine neue Familie findet und Vertrauen zu ihr fasst (weil auch Vertrauen die einzig sinnvolle Haltung ist), so bleibt die Welt drumherum immer noch dem Untergang geweiht, und die Frage, ob man ausgerechnet am Meer irgendeine Perspektive hat, kann in diesem Setting kaum positiv beantwortet werden. Und darum geht’s auch gar nicht, es geht nur darum, dass der Sohn einen Sinn findet, um weiter zu machen, dass er Menschen findet, die noch dieselben Werte vertreten, die sein Vater vertrat und die ihn immer begleiten werden.
Ein bedrückender, sehr bildstarker, teilweise dramatisch spannender, teilweise auch reichlich verstörender Film, der seine Aussage zum Teil unnötigerweise in feierliche Worte kleidet (da kommt dann der McCarthy wieder durch), der aber dennoch sehr beeindruckt und auch beeindruckend gespielt wird von Viggo Mortensen, dessen Physis bis an ihre Grenzen getrieben zu werden scheint. Charlize Theron hat leider nur eine sehr kurze Rolle, und auch eine etwas merkwürdige und irgendwie unplausible dazu, doch alle anderen zerrissenen Gestalten und Gesichter sind überzeugend. Einer der besten Weltuntergangsfilme, wie ich finde, eindrucksvoll durchkomponiert, stark inszeniert und wie gesagt stets mit Blick auf die Essenz der Geschichte. (3.11.)