The Town (#) von Ben Affleck. USA, 2010. Ben Affleck, Rebecca Hall, Jeremy Renner, Jon Hamm, Blake Lively, Slaine, Owen Burke, Pete Postlethwaite, Chris Cooper

   Zum Auftakt gibt’s ein bisschen Landeskunde: Kein anderer Stadtbezirk in den Staaten, so lesen wir staunend, hat prozentual betrachtet so viele Bank- und Geldtransporträuber hervorgebracht wie Charlestown/Boston. Aha, iss ja n Ding. Im Abspann wird dann Abbitte geleistet: Wir mögen bitte nicht glauben, dass alle Bewohner dieses Viertels gemeine Kerle und Gangster seien, neinnein, es leben dort auch viele viel anständige Menschen. Und denen ist dieser Film gewidmet.

   Falls es Affleck damit ernst meint – und ich habe keinen Grund zu glauben, er täte das nicht -, ist dies zumindest eine schräge, irgendwie naive und lächerliche Geste, die im Kino gottlob kaum jemand zur Kenntnis genommen hat, und die mit dem Rest des Films irgendwie auch wenig zu tun hat. Natürlich geht es ihm auch um eine Milieugeschichte, die in einem ganz konkreten Umfeld angesiedelt ist, in einem alten Viertel, einst Zentrum der irischen Immigration, außerhalb der modernen Downtown gelegen und von alter kolonialer Bebauung gekennzeichnet. So weit so gut. Aber dies ist keine soziologische Studie, dies ist ein Gangsterfilm, der sich ganz an den klassischen Strukturen und Motiven orientiert, ein Film, der in erster Linie unterhalten will und das auch vortrefflich tut.

   Douggie MacRay und seine Gang sind die härtesten Jungs in der Nachbarschaft, haben schon etliche Banken oder Transporte geknackt und machen sich nun wieder über eine Bank her. Sie nehmen die Filialleiterin Claire kurzfristig als Geisel und entkommen mit der Beute. Leider wohnt Claire im gleichen Viertel, und die Jungs fragen sich, ob sie sie wohl auf der Straße erkennen würde. Doug nähert sich ihr und verliebt sich in sie, entschlossen, mit dem alten Leben aufzuräumen. Verschiedene Leute haben was dagegen: Sein Kumpel Jem, der für ihn neun Jahre Knast auf sich nahm, ein wilder, gewalttätiger Typ, dem alles egal ist, eine Zeitbombe auf zwei Beinen. Fergie der Florist, ist ebenfalls nicht amüsiert, denn der organisiert die Raubzüge und kassiert groß an und will seinen besten Mann nicht einfach ziehen lassen. Also setzt er ihn massiv unter Druck, um ihn bei der Stange zu halten. FBI-Mann Frawley ist der Gang verbissen auf den Fersen, und je dreister und brutaler die Raubzüge werden, desto entschlossener sind auch die Behörden, dem ein Ende zu machen. Frawley klemmt sich an Claire, spielt sie gegen Doug aus, der ihr seine wahre Identität zunächst verschwiegen hatte. Beim Überfall auf die Kasse des Baseballstadiums kommt es zum Showdown. Die Bande wird niedergemäht, nur Doug kommt davon, weil Claire ihn am Telefon warnt.

   Gewalt und Gegengewalt, das uralte amerikanische Thema, Thema jedes Gangsterfilms seit den 30ern, jene eigenartige und monströse Symbiose von Verbrechern und ihren Jägern, die ganz ähnliche Methoden und Mentalitäten offenbaren und die Eskalation nicht nur mitgehen, sondern manchmal auch noch anfeuern. Und: Der Zusammenhalt alter Buddies aus einem Viertel, durch ihre Geschichte und Kultur untrennbar verbunden, was spätestens dann zum Problem wird, wenn einer von ihnen aussteigen will. Und: Die Frauen, die todsicher nur Ärger und Verderben mit sich bringen, weil Liebe und Eifersucht ins Spiel kommen und die Dinge dadurch unkontrollierbar, unberechenbar werden. Doug steht zwischen Claire und seiner alten Freundin Krista, Jems Schwester, die durchdreht und mit dem FBI kooperiert, als Doug ihr klarmacht, dass er mit einer anderen Frau weggehen wird. Claire wiederum dreht durch, als ihr klar wird, dass Doug ihr vieles verschwiegen hat, dass er selbst einer der Verbrecher war, die ihr dieses traumatische Erlebnis beschert haben. Auch sie kooperiert mit dem verbissenen, hochgradig manipulativen Frawley, springt aber im letzten Moment doch noch ab, weil sie ihn vielleicht auch ein kleines Bisschen liebt. Und schließlich: Die Verhältnisse, die Strukturen im Viertel, denen man nicht so leicht entkommt, und wer sich erst mal für die Laufbahn als Gangster entscheiden hat, bekommt kaum noch eine Chance, aufzusteigen und neu zu beginnen.

 

   Fatalismus, Gewalt, allerlei persönliche Bindungen, daraus bezieht dieser Film wie all seine Vorgänger sein Futter, und das macht er gekonnt und routiniert, wenn auch nicht übermäßig originell, denn jeder, der mit dem Genre halbwegs vertraut ist, wird den Verlauf der Geschichte nach zwanzig Minuten voraussagen können. Dass Doug mit dem Leben davon kommt, ist eine Variante der total nihilistischen Lösung, wird aber im Film auch schon vorbereitet, denn eigentlich ist er kein schlechter Kerl, will auch niemandem ans Leben, hier ist Jem an Antreiber, der explosive Psychopath, dessen Amoklauf ein erwartet blutiges Ende nimmt. Die ganze Story ist ziemlich konstruiert, dennoch aber spannend, weil Affleck mit Ruhe und Geduld inszeniert und viel Zwischenmenschliches einbaut, was dem Ganzen trotz aller Klischees einige Tiefe beschert. Hinzu kommen vorzügliche Schauspieler, vor allem Rebecca Hall, Jon Hamm und Jeremy Renner sind erstklassig, während Affleck als Darsteller ja nie so mein Fall war, weil ich ihn einfach zu glatt, zu ausdruckslos finde. Die Actionhighlights sind gekonnt choreographiert und der sorgsam gebaute Plot wird immer dichter und intensiver bis zur finalen Konfrontation, die sich mit allen Nachspielen ganz schön lang hinzieht. Alles in allem gutes, routiniertes Genrekino, sicherlich keine Offenbarung oder umwälzende Neuerung, eher eine respekt- und stilvolle Hommage, stark gespielt und inszeniert, und für einen Samstagabend in der Stadt allemal eine gute Wahl. (2.10.)