Flickan som lekte med elden (Verdammnis) von Daniel Alfredson. Schweden/Dänemark/ BRD, 2009. Noomi Rapace, Mikael Nykvist, Lena Endre, Johan Kylén, Georgi Staykov, Micke Spreitz, Yasmin Garbi, Per Oscarsson, Peter Andersson
Ein Film in einer ausgesprochen undankbaren Position, und zwar in jeder Beziehung. Der Mittelteil einer, wenn auch thematisch nur bedingt zusammenhängenden Trilogie sitzt zwangsläufig zwischen den Stühlen. Er funktioniert nur, wenn man den ersten Teil schon gesehen hat und halbwegs überblickt, wie die Personen miteinander verbunden sind, und er hat kein vernünftiges Ende, weil natürlich noch das große Finale im dritten Teil bevorsteht, für das hier lediglich die Geschütze in Stellung gerückt werden. Er wird automatisch an seinem Vorgänger gemessen werden, und weil der wirklich ziemlich gut war, hängt die Messlatte entsprechend hoch, um so mehr, da die Leute von Film zu Film ja immer noch eine Steigerung erwarten (das ist sozusagen der sportliche Gedanke dahinter...).
Auch so hat’s der Film nicht leicht, denn er stellt den Drehbuchmann vor die undankbare Aufgabe, siebenhundertfünfzig prall gefüllte Buchseiten zu seinem halbwegs konsumierbaren Produkt zu verarbeiten, und wenn man sich das ganze jetzt in Bildern ansieht, stellt man doch fest, welch wüsten Quatsch der Stieg Larsson da zum Teil zusammenfabuliert hat – nur hat er das so spannend und atemlos montiert, dass man es im Buch gar nicht so richtig merkt. Unterm Strich aber finde ich, dass die unausweichlichen Kürzungen zum großen Teil sinnvoll und gelungen sind. Gerade im zweiten Buch finden sich etliche Längen, zum Beispiel die für den Gesamtzusammenhang völlig bedeutungslose Karibikepisode gleich zu Beginn bleibt sinnfrei und wurde völlig zu Recht weggelassen. Anderes, beispielsweise die detailliert beschriebene Redaktionsarbeit oder auch die parallel dazu laufenden polizeilichen Ermittlungen, werden leider auf viel zu knappe Rudimente reduziert, was der besonderen Konstruktion des Romans nicht gerecht wird. Auch wird der MacGuffin, der kaltblütige internationale Frauenhandel, so sehr in den Hintergrund gedrängt, dass eine von Larssons Herzensangelegenheiten ebenfalls nur noch sehr undeutlich rüberkommt. Es wäre doch ratsam gewesen, dem Film (und uns) eine halbe Stunde mehr zu gönnen, statt sich auf das „Nötigste“ zu beschränken. Das Nötigste, das ist in diesem Fall Lisbeth Salander, die ganz und gar im Mittelpunkt des Films steht, und sogar Kalle fucking Blomquist an den Rand drängt, was aber wiederum irgendwie passt, denn auch in den Romanen ist sie der wesentlich interessantere, kontroversere Charakter, vor allem in den Teilen zwei und drei, während er nur noch fieberhaft versucht, mit seinen Recherchen auf ihrer Fährte zu bleiben und für ihre Rehabilitierung zu kämpfen. Angesichts dieser Dominanz ist es wahrlich ein Glücksfall, dass man mit Noomi Rapace eine solch eindrucksvolle Schauspielerin gefunden hat, die der Lisbeth nicht nur Gesicht und Körper gibt, sondern ihren sperrigen, nach normalen Maßstäben extrem abenteuerlichen (um nicht zu sagen vollkommen realitätsfernen) Charakter mit Menschlichkeit und Leben füllt. Um sie herum gruppiert sich ein bizarres Personal aus dämonischen Todfeinden, einigen wenigen, die von Anfang an an ihre Unschuld glauben und einigen mehr, die erst noch davon überzeugt werden müssen. Was Larsson da zum Teil auffährt, ist schon starker Tobak (man denke nur an Salanders Halbbruder Ronald, der geradewegs aus einem Gruselcomic entsprungen zu sein scheint) und strapaziert die Toleranz des Lesers nicht wenig, aber auf seine schräge, überkandidelte Art ist der Roman auch schon wieder eine Show für sich.
Dies gilt auch für den Film, der durchweg extrem spannendes, intensives, aufregendes und vor allem zum Schluss heftig brutales Entertainment bietet, der gut konstruiert und (mit erwähnten Einschränkungen) sinnig gerafft ist, dem allerdings leider im Vergleich zum Vorgänger ein wenig die optische Qualität fehlt. Irgendwie hat mich „Verblendung“ schon durch die Bilder stärker beeindruckt, die waren großartig und kraftvoll, während Alfredson deutlich dahinter zurück bleibt und sich eher an einer konventionellen Ästhetik orientiert, zum Teil eben auf Kosten der Wirkung.
Für sich genommen ist dies also ein ziemlich starkes Stück Kinothriller, verglichen mit dem ersten Teil fallen einige Schwächen auf, und natürlich warte ich gespannt ein paar Monate auf den Abschluss der Trilogie um zu sehen, ob Alfredson die skandinavische TV-Bravheit vielleicht etwas über Bord werfen und ein angemessenes Finale bieten kann. (21.2.)