Luftslottet som sprängdes (Vergebung) von Daniel Alfredson. Schweden, 2009. Noomi Rapace, Michael Nykvist, Lena Endre, Annika Hallin, Mikael Spreitz, Sofia Ledarp, Anders Ahlbohm, Mirja Turestedt, Lennart Hjulström

   Der dritte und letzte Teil der Millennium-Trilogie von Stieg Larsson ist ein merkwürdiges Konstrukt: Ganze achthundert Seiten lang bringen sie ihre Geschütze in Stellung, diejenigen, die Lisbeth Salander aus dem Weg räumen und diejenigen, die sie rehabilitieren und befreien wollen. Alles läuft auf einen Strafprozess hinaus, in dem entweder Salanders Gemeingefährlichkeit, Paranoia und Schizophrenie offiziell und endgültig bestätigt werden, oder aber sie in allem entlastet und die finstere Intrige um ihre Person aufgedeckt werden kann. Beide Parteien versichern sich kompetenter Mitstreiter: Die obskure Sektion aus höchsten Regierungskreisen, die einst Salanders Vater als russischen Überläufer ins Land schmuggelte und damit alle späteren Ereignisse lostrat, holt Salanders ehemaligen Psychodoktor ins Boot, sowie einen eifrigen und korrupten Staatsanwalt und technisches Equipment zur totalen Überwachung aller Gegner. Mikael Blomquist, der unermüdlich und selbstlos recherchierende Journalist, heuert seine Schwester als Anwältin an, ferner Lisbeths alten Arbeitgeber als Überwachungsspezialisten, seine Kollegen in der Redaktion, Lisbeths genialen Hackerkumpel, und er arbeitet schließlich auch mit der Geheimpolizei zusammen, die kurz vor Schluss zum großen Schlag gegen die alten Männer aus der Sektion ausholt. Und zwischen diesen Fronten stolpert Lisbeths Halbbruder als stoisches und mörderisches Riesenbaby, das nur auf die finale Konfrontation wartet und sie, wie wir längst ahnen, auch bekommen wird. Im Grunde ein wahnsinnig statisches Buch, in dem beide Seiten Punkte sammeln, Intrigen einfädeln und um kleine Vorteile rangeln. Ganz selten mal wird es etwas handfest, nur zum Schluss natürlich, wenn sich Lisbeth und ihr Frankensteinbrüderchen in der alten Ziegelei duellieren, darf noch mal ein bisschen Horrorluft geatmet werden, aber auch nicht allzu viel.

   Larsson hat es irgendwie geschafft, aus einem total aufgeblasenen Verschwörungsmumpitz ein atemlos spannendes Buch zu machen, eine echte Kunst übrigens, denn wenn man mal anfängt, über das Ganze nachzudenken, kommt man schon ins Grübeln, wieso zum Teufel diese mächtigen Männer einen dermaßen irren Aufwand für ein zartes Persönchen anstrengen, statt die Dame einfach umlegen zu lassen, wie in jedem anderen zünftigen Krimi. Aber mit der Glaubwürdigkeit war das ja auch schon im zweiten Band so eine Sache, besser also, man genießt die Spannung und fragt nicht soviel.

   Daniel Alfredsson nun ist es gleichfalls gelungen, aus dem dicken dicken Buch einen ebenso spannenden Film zu machen, einen besseren auch, als ich erwartet hatte, denn nach dem absolut hochklassigen ersten Teil hatte mich der zweite ein ganz kleines bisschen enttäuscht. Dieser hier ist wieder ganz stark: Hoch konzentriert, ganz intensiv und dicht in der Dramaturgie und der Atmosphäre, mit viel Gefühl für die Personen, ihre Motive, und vor allem mit gutem Gefühl für passende Kürzungen, die die Vorlage einerseits auf ein verwertbares Maß herunterdampfen, ihr andererseits aber auch nicht die Substanz rauben. Wie ich las, gibt’s in Schweden Langfassungen aller drei Filme auf dem Markt. Die würden mich natürlich überaus interessieren, dennoch finde ich, dass in allen Fällen der Roman wirklich gut und adäquat umgesetzt wurde, gerade im dritten und letzten Teil, der ja von seiner Faktenfülle und der eigenartigen Dramaturgie lebt. Der Film hat nicht versucht, all dies zusammenzustreichen und nur Action herauszufiltern, er hat die Actionsequenzen im Gegenteil fast noch zurückgenommen, vor allem das Finale, das im Vergleich zum Roman merklich dezenter gestaltet wurde. Es geht tatsächlich nur um Salanders Person und ihre Rolle in dem ganzen Intrigengeflecht, um das zähe Ringen zwischen Wahrheit und Verleumdung, Verschwörung und Gerechtigkeit, und das faszinierendste daran ist vielleicht, dass die eigentliche Hauptperson kaum spricht, kaum etwas von sich preis gibt und uns im Grunde so fremd bleibt wie nur was. Noomi Rapaces Interpretation ist natürlich grandios, und dennoch ist sie eigentlich nicht viel mehr als eine magere Gestalt, ein scharfkantiges Gesicht und jene tiefdunklen Augen, in denen zumeist rigorose Abwehr zu lesen ist und sonst nichts. Mikael Blomquist wirkt neben ihr direkt brav und bieder, da hilft auch seine lockere Affäre mit der Chefin nichts, und entsprechend hat es auch Michael Nykqvist schwer, neben dieser einzigartigen, charismatischen Figur zu bestehen, die, wie ich beim letzten Mal schon feststellte, weitab jeglicher Realität angesiedelt ist und dennoch irgendwie beeindruckt. Zumal es dem Drehbuch in diesem Fall auch vorzüglich gelungen ist, einige Extreme, die Larsson zusätzlich in seine ohnehin schon maßlos ausufernde Mär verpackt hat, wegzukürzen und die Salander nicht gar so abgehoben erscheinen zu lassen.

 

   Alles in allem eine sehr gelungene Umsetzung, ein äußerst intensiver, spannender Film, und für mich besonders erfreulich, mal wieder ein massives Lebenszeichen meiner alten Freunde aus Schweden, die sich in den letzten Jahren ansonsten ja eher bedeckt gehalten haben und jetzt hoffentlich mal wieder etwas Morgenluft schnuppern. Und guten Krimistoff, den haben die ja oben ja wohl zuhauf, oder? (14.6.)