Des hommes et des dieux (Von Menschen und Göttern) von Xavier Beauvois. Frankreich, 2010. Lambert Wilson, Michel Lonsdale, Olivier Rabourdin, Philippe Laudenbach, Jacques Herlin, Loïc Pichon, Xavier Maly, Jean-Marie Frin

   Das Schicksal der sieben französischen Trappistenmönche, die 1996 im algerischen Atlasgebirge vermutlich einer Gruppe radikaler islamistischer Guerillakämpfer zum Opfer fiel, wird in diesem in jeder Hinsicht bemerkenswertren Film zur Grundlage einer fundamentalen und eindrucksvoll komplexen Meditation über Menschlichkeit und Existenz. Man kann diese großen Worte in diesem Fall durchaus ohne Übertreibung verwenden, denn um diese Dinge geht es, nicht mehr und nicht weniger. Dennoch ist dies kein pompös ausgeblasenes Thesendrama, sondern eine gründliche, stille Reflexion, die sehr schön beweist, dass man komplexe Themen verhandeln kann, ohne den Zuschauer mit dem schieren Gewicht zu erschlagen.

   Zwei Stunden lang begleiten wir die kleine Gruppe, bestehend aus neun zusammengewürfelten Franzosen aus allen möglichen Gruppen und Schichten, bei ihrem Tagwerk, zwischen Stundengebet, liturgischem Gesang, Dienst an den Bewohnern des kleinen Dorfes nahebei oder auch Gesprächen und Diskussionen. Diese intensivieren sich merklich, als die unmittelbare Gefahr durch den grausamen Bürgerkrieg wächst, der Algerien seit Anfang der 90er Jahre erschüttert und sowohl die Gewalt durch den Dschihad als auch das diktatorisch regierende Militär eskalieren ließ. Für die Mönche gibt es keine Unterscheidung zwischen der einen oder anderen Gruppe, sofern es um Waffen, Krieg und Mord geht. Sie fühlen sich ganz dem Schutz und der Hilfe der armen Dorfbevölkerung verpflichtet, haben eine Arztsprechstunde eingerichtet und lassen sich regelmäßig mit neuen Medikamenten beliefern. Dabei verfolgen sie keinerlei missionarische Ambitionen, wie überhaupt ihr Auftreten äußerst bescheiden und dezent ist, niemals dogmatisch oder sonst wie streng. In langen Auseinandersetzungen einigen sie sich darauf, nicht wie von allen gefordert abzureisen, sondern zu bleiben, ihrer selbst auferlegten Verpflichtung den Menschen am Ort folgend. Den Guerillas sind sie suspekt,. Dienen höchstens als Lieferant für benötigte Medikamente, die Militärs verachten sie und der Politik sind sie ein Dorn im Auge, weil man (zurecht, wie sich schließlich erweist) befürchtet, die Islamisten könnten sie als Geiseln und damit als Verhandlungsmasse im schmutzigen Krieg benutzen. Nach einigem Schwanken und vielen Ängsten und Unsicherheiten festigen die Mönche jedoch ihre Position und lassen sich schließlich zu siebt von den Terroristen gefangen nehmen und irgendwo ins Land entführen. Die genauen Umstände ihres Todes wie auch die tatsächlichen Mörder sind nie bekannt geworden.

   Der Vorsteher der Mönche, Pater Christian, bringt in seinem Testament zum Ausdruck, worum es in dem Film unter anderem geht, er sorgt sich nämlich darum, dass die Gewalttaten einiger Islamisten das Bild des Islam in der Welt nachhaltig beeinflussen und prägen, und damit liegt er ja auch richtig. Ihm ging es immer um Nähe, Verständigung und Toleranz, er studierte den Koran und die Sprache ebenso, wie er am Leben der Dorfbewohner teilnehmen wollte. Die Tragödie dieser Geschichte liegt darin, dass Krieg und Gewalt auch diesen Versuch zur Kultur- und Völkerverständigung vernichtet haben und dass die Mönche ganz gegen ihre Absicht doch zum Spielball der gegnerischen Parteien geworden sind. Xavier Beauvais mischt die öffentliche, politische Ebene sehr effektiv mit dem genauen, intimeren Blick auf das Alltagsleben der Trappisten, und gelingt ihm, das Einbrechen der weltlichen Gewalt in das einfache, asketische, spirituelle Leben der Mönche nachfühlbar zu machen. Ihre Auseinandersetzung mit elementaren Fragen nach dem Tod, nach der möglichen Flucht, nach ihrer Verantwortung vor Ort hat ebenso viel Raum wie ihre ganze menschliche Angst, der Reflex, sich bei Gefahr zu verstecken, so wie es geschieht, als sieben der Mönche verschleppt werden und nur zwei zurückbleiben, die sich schnell genug hatten verbergen können. Pater Christian sieht seine Rolle als Vorsteher angezweifelt, als er zunächst ohne den Rat seiner Brüder einzuholen mit wichtigen Entscheidungen vorprescht, doch später holt er das Versäumte nach und lässt die anderen zu Wort kommen und demokratisch entscheiden. Auch er ist seiner Sache keineswegs so sicher, wie er nach außen vielleicht glauben machen will, auch er zweifelt, hadert, fürchtet, genau wie seine Ordensbrüder, auch er ist wie sie mit der jähen Konfrontation der Welt des Krieges völlig überfordert.

   Ein ruhiges, ganz einfach gefilmtes Drama von meisterlicher Intensität, zum einen ein trauriges Stück moderner Realität, zum anderen eine Aufeinanderprallen gegensätzlicher Welten und Lebensweisen, vor allem aber ein von Achtung und Respekt geprägtes Porträt dieser Mönche, die trotz großer Gefahr und deutlicher Anfeindungen ihrer Verpflichtung folgten und auf ihre Art ein Zeichen setzten, indem sie nicht zurückwichen vor der Waffengewalt beider Seiten. Eindrucksvolle Bilder, sowohl aus dem Kloster als auch von der Berglandschaft drumherum, und ebenso eindrucksvoller Schauspieler, die völlig in ihren Rollen und in der Gruppe aufzugehen scheinen zeichnen ihn aus, vor allem natürlich eine Regie, die alldem Raum zur Wirkung gibt und konsequent genug ist, jegliches Brimborium wegzulassen und ganz bei den Mönchen und beim Land zu bleiben. Ausgezeichnet in Cannes, und man versteht sofort, wieso. (21.12.)