When you’re strange (#)  von Tom DiCillo. USA, 2009

   Die Doors waren immer ein zentraler Bestandteil meiner privaten 60er-Jahre-Mythologie, und zusammen mit anderen Größen aus der Psychedelicszene von der Westcoast bilden sie den einen Teil dieses faszinierenden Soundtracks (der andere wird dann von den etwas dunkleren New Yorkern und den Folkies beigesteuert).  In den gut sechs Jahren ihres Bestehens (1965-71) haben sie sechs Studioalben aufgenommen, fünf davon absolut essentiell und großartig (einzig „The Soft Parade“ von 1969 fällt in jeder Hinsicht gegenüber den anderen ab), sowie einen ganzen Haufen mehr oder minder obskurer Konzertmitschnitte, die zumindest dokumentieren, welch abenteuerliches Erlebnis ein Doors-Konzert sein konnte.

   Die Doors werden gerne auch mehr oder weniger mit der Person und dem Mythos Jim Morrisons identifiziert, womit ich immer schon Schwierigkeiten hatte, denn einerseits war Morrison schon das Aushängeschild der Band, der Anziehungspunkt aller möglichen Fantasien und Projektionen und natürlich ein Fressen für Presse und Moralschützer in den spießigen Mittsechzigern, andererseits aber standen ihm durchweg hervorragende Musiker zur Seite, die den einzigartigen Sound der Band geprägt haben und ohne die Morrisons verschwommene Gedichte nicht annähernd ihre Wirkung erzielt hätten (man muss sie nur mal ohne Musikuntermalung lesen...).

   Tom DiCillo verlässt sich voll und ganz auf Archivmaterial und hat eine fulminante Montage aus  zeitgenössischen Impressionen geschaffen, die sich im Ganzen betrachtet keine besondere Mühe gibt, den Mythos Doors aus heutiger Sicht zu relativieren. Das ist mir besonders sympathisch, denn oft genug kommen die Coolcats von heute daher und lächeln abgeklärt über den ganzen Hippiemist und das naive Getue der Woodstockgeneration, was ich immer ziemlich eklig finde. Hier wird einer großartigen Band gehuldigt, deren Einfluss unbestritten Bestand hat und deren Geschichte Teil der spannendsten und wichtigsten Kulturumwälzung des letzten Jahrhunderts ist. Johnny Depp sonorer, dezenter Kommentar hält sich nicht lange mit historischen Einordnungen auf, neue Erkenntnisse oder neue Gewichtungen wird man hier nicht finden, die üblichen Assoziationen zu Vietnam, Charlie Manson, Luther King, Bobby Kennedy und Ohio State sind ebenso unvermeidlich wie zwingend, denn wenn man die Musik der Doors hört, kommen diese Bilder unweigerlich in den Kopf, sie sind untrennbar damit verknüpft. Übrigens ein besonders interessanter Fall von Projektion, denn Morrison selbst hat in vielen Konzerten sein Credo verkündet, das sich ganz klar gegen Revolution und Demonstration und fürs Spaßhaben aussprach. Natürlich lag gerade darin auch eine gehörige Sprengkraft (Stichwort „sexuelle Revolution“), dennoch waren die Doors von Anfang an keine Band, die sich explizit vor den politischen Karren spannend ließen, sondern die eher auf neue Wege der Innenschau aus waren und diese kongenial vertonten. DiCillos Film zeigt den faszinierend widersprüchlichen, empfindsamen, kreativen, rastlosen, aber auch verwirrten,  unzuverlässigen, selbstzerstörenden Narziss Morrison, der überhaupt nur deshalb sechs Jahre lang durchgehalten hat, weil seine drei Mitstreiter immer wieder zu ihm hielten, die Show durchzogen, wenn der Herr Lizard King mal wieder auf offener Bühne zusammenbrach, sogar vor Gericht zu seinen Gunsten aussagten, und allgemein eine fast unendliche Geduld zeigten, wenn es darum ging, Morrisons Unpünktlichkeiten, Launen und den dauernden Alkoholrausch während der Studiosessions zu ertragen. Dass unter solchen Umständen solch brillante Musik entstehen konnte, ist fast schon ein Wunder und wirft auch einen Blick auf die 60er, denn die Doors waren wirklich nicht die einzige Band, bei der Kreativität und Exzess Hand in Hand gingen. Eine explosive Mischung, die keine Band länger als fünf, sechs Jahre aushalten konnte, und wenn sie nicht auf gewöhnlichem Weg auseinander flog, dann beendet oft genug der Tod eines Protagonisten die Geschichte. Da kam es Anfang der 70er knüppeldick: Hendrix tot mit 27, Joplin tot mit 27, und dann auch Morrison tot mit 27, ertrunken in einer Badewanne in Paris, noch heute viel betrauert auf dem Friedhof von Pére-Lachaise. Ohne Morrison keine Doors, das war klar und das wurde durch die beiden Alben, die Manzarek, Krieger und Densmore nach seinem Tod zu dritt aufnahmen, nachdrücklich bestätigt. So gesehen ist es durchaus naheliegend, einen Film über die Band auf Morrison fokussieren, doch tut DiCillo recht daran, den großen künstlerischen und auch menschlichen Beitrag der anderen drei Bandmitglieder hervorzuheben. Vielleicht wäre es interessant gewesen, die drei heute zu jener Zeit zu befragen, doch DiCillo bleibt voll und ganz in den 60ern, montiert Konzertszenen, Impressionen aus Venice Beach und einige skurrile Privatfilme, in denen Morrison als einsamer Highwayman posiert. Nebenbei entsteht natürlich auch mal wieder das bittere Porträt eines grotesk bigotten Landes, in dem es Todsünde war, seinen Schwanz in der Öffentlichkeit herzuzeigen und schmutzige Worte zu gebrauchen, in dem andererseits jeder von kleinauf mit Schusswaffen herumballern durfte, weil das ja eines jeden Amerikaners verbrieftes Recht sein sollte.

 

   Ich habe den Film genossen als Reminiszenz an eine Zeit, die für meine Ohren mehr gute Musik hervorgebracht hat, als jede andere, ich habe die Musik selbst genossen und mich gefreut, dass es heutzutage noch jemand las wichtig empfindet, solch einen Film überhaupt zu machen, denn wer zum Teufel kennt heute noch die Doors? (3.8.)