The Infidel (Alles koscher!) von Josh Appignanesi. England, 2010. Omid Djalili, Richard Schiff, Archie Panjabi, Amit Shar, Soraya Radfort, Matt Lucas, Igal Naor

   Köstliche Idee: Ein Londoner Muslim, der’s mit seinem Glauben nicht allzu genau nimmt (gern mal ein Bierchen kippt und nach der schicken Tussi im Supermarkt schielt) erfährt, dass er lediglich von Muslims adoptiert wurde und eigentlich der Sohn jüdischer Eltern ist. Als ob dies nicht Krise genug wäre, gerät er zudem mörderisch unter Druck, weil sein Sohn gern die Zustimmung zur Heirat mit der Liebsten haben möchte und vom Paps verlangt, für ein paar Tage ein Vorzeigemuslim zu sein, und weil der strenge Rabbi ihm dem Zutritt zum Zimmer des sterbenskranken Papas im Altenheim verwehrt mit der Auflage, erst ein „richtiger“ Jude zu werden. Unser armer Mahmud bzw. Solli strampelt sich nun also zwischen diesen beiden nicht gerade kompatiblen Forderungen ab, und fast zerreißt es ihn, bis er kurz vor Schluss noch die Kurve kriegt und alles gut wird.

 

   Nun wird, wie jedermann weiß, nicht immer aus einer köstlichen Idee auch ein köstlicher Film. Dieser hier startet mit einer furiosen, irrsinnig witzigen ersten Viertelstunde randvoll mit Turbulenzen, spitzzüngigen Pointen und wirklich gelungenen Gags, um dann ganz plötzlich und unerwartet den Faden zu verlieren und sich schließlich in eine mehr oder minder unverbindliche Wohlfühlgesinnung zu retten. Das ist zu wenig, erstens weil der Film in über hundert Minuten einige Längen entwickelt und sein tolles Anfangsniveau längst nicht halten kann, und zweitens weil das Thema so schön ergiebig wäre für eine viel frechere und schärfere Satire auf den wahren und den falschen Glauben, die jüdischen und muslimischen Differenzen, all die Klischees und Vorurteile, die gegenseitig aufgebaut und instrumentalisiert wurden für allen möglichen extremistischen Scheiß. Wohlgemerkt – dies alles könnte noch immer im Rahmen einer durchaus unterhaltsamen Komödie stattfinden, wie „Four Lions“ vor kurzem so nachdrücklich bewiesen hat. Auch die ruhigeren und nachdenklichen Momente zwischendurch wären im Prinzip okay und gehören dazu, doch geht Appignanesi mit seinem Thema zu oberflächlich und fahrlässig um, lässt jede Möglichkeit, sein Thema mit ein wenig mehr Tiefgang anzugehen, konsequent liegen, sodass besagte Tempodrosselung nicht zum Gehalt des Films beiträgt, sondern nur zur Langeweile des Betrachters. Es war direkt spürbar, wie die Stimmung im Kino nach dem prächtigen Beginn kontinuierlich absank, und man sich schließlich nur noch wappnete für das unvermeidliche und absehbar sentimentale Happy End, an dem sich Solli hinstellt, seine Versäumnisse als Ehemann und Vater einräumt, seine Nachlässigkeiten als Muslim zugibt und zugleich und fast nebenbei den fiesen Hassprediger Al-Masri entlarvt, der im früheren Leben ein New-Wave-Popstar war - eine total absurde Idee übrigens, die auf  mich nur lächerlich gewirkt hat. All dies ist so sehr angebiedert an den Massengeschmack und leider auch so lieblos gefilmt, dass es mir letztlich leid getan hat um die schöne Story und den brillanten Hauptdarsteller Omid Djalili, der eine fulminante Soloshow zum besten gibt, und der mit ein wenig mehr Mut und Sorgfalt von Drehbuchseite her sicherlich eine noch viel bessere Rolle hätte gestalten können. So ist der Film nicht mehr als bestenfalls leidlich unterhaltsam, im ganzen aber viel zu seicht, unverbindlich und harmlos. Wie sagt der Brite – a wasted opportunity. (10.7.)