Angèle et Toni (#) von Alix Delaporte. Frankreich, 2010. Clotilde Hesme, Grégory Gadebois, Evelyne Didi, Jérôme Huguet, Patrick Descamps, Antoine Clouleau, Patrick Ligardes

   Angèle und Toni treffen sich in einem normannischen Fischerdorf, wo er zusammen mit Mama und Bruder versucht, die Existenz der Familie aufrecht zu erhalten. Sie sucht per Annonce einen Mann, doch wird erst später klar, weshalb: Nach zwei Jahren im Knast kämpft sie um das Sorgerecht für ihren kleinen Sohn, das auch die Schwiegereltern für sich beanspruchen. Da sie ihr Leben nicht besonders gut auf die Reihe zu kriegen scheint, benötigt sie dringend solide Umstände, die bei Gericht günstig wirken. Toni erkennt, dass sie ihn anfänglich nur benutzt hat, doch er steht zu seinem Wort, und so heiraten sie und vielleicht klappt’s sogar mit Sohnemann Yohan.

   Was wie die Inhaltsangabe für einem weiteren rührenden Wohlfühlfilm klingt, erweist sich dank angenehm spröder und sparsamer Inszenierung als eine einfühlsame und wirklich schöne Liebesgeschichte vor rauer Kulisse, die in erster Linie aber nicht bloß als pittoresker Hintergrund fungieren darf, sondern als ein sehr eigenständiges Handlungselement, denn nicht nur markiert sie den fundamentalen Unterschied zwischen Angèle und Toni, ein Unterschied, der sich in Lebensweise, Sprache, Einstellung und überhaupt allem zeigt, sondern es kommt auch eine dezente politische Komponente hinzu, denn mehrmals sehen wir protestierende und wütend ausschreitende Einwohner, die sich vermutlich dagegen wehren wollen, dass ihre Region wie viele andere auch durch den Terror der EU-Bürokratie ausgeblutet und letztlich zerstört wird. Das Leben von Toni und seiner Familie ist sehr karg, die tägliche Quote reicht kaum zum Überleben, doch etwas anderes gibt die Gegend nicht her, und überhaupt scheint Toni auch nicht darüber nachzudenken, die Familientradition als Fischer aufzulösen. Die Mutter ist der städtischen und offensichtlich unaufrichtigen Angèle gegenüber zunächst sehr misstrauisch, und der Bruder hängt seine ganze Energie daran, den vor einiger Zeit im Meer verunglückten Vater doch noch zu finden und zu bergen. Toni, ein bodenständiger, vierschrötiger, wortkarger Kerl, ist sehr viel gradliniger, auch was Angèle angeht. Ganz oder gar nicht, ist die Devise, und wo er sich erst mal für sie entscheiden hat, bleibt er auch dabei, egal, welche Haken und Wendungen sie wieder schlägt. Angèle ihrerseits ist eine nur nach außen hin forsch und cool wirkende hübsche Frau, die in Wirklichkeit höchst unsicher und instabil ist. Sie verliert ihr Ziel, Yohan für sich zurückzuholen, nie aus den Augen, vergreift sich allerdings ein ums andere Mal in der Wahl ihrer Mittel und steht kurz davor, ihre Bewährung zu verspielen, als sie beim Ladendiebstahl erwischt wird. Es ist klar, dass sie jemanden braucht, der ihr Sicherheit und Halt gibt. Dafür ist der solide Toni natürlich der richtige, auch wenn die beiden zunächst ein höchst unwahrscheinliches Paar abgeben.

 

   Neben dem in schön atmosphärischen Bildern eingefangenen Setting an der normannischen Küste (Fernweh inbegriffen) und dem ebenso präzisen Blick für Menschen und Milieu besticht die ökonomische, etwas sperrige Erzählweise, die sich den ebenso sperrigen Charakteren anpasst und für sich genommen schon ein gutes Gefühl vermittelt für ein ziemlich unglamouröses Leben weitab der schicken Orte und Städte. Der Verlauf dieser Geschichte ist vielleicht nicht gerade unvorhersehbar oder sonderlich überraschend, die ebenso sparsame wie eindringliche Darstellung aber macht dies in jedem Fall wieder wett. (15.8.)