Arschkalt von André Erkau. BRD, 2011. Herbert Knaup, Johannes Allmayer, Elke Winkens, Peter Franke, Torsten Merten, Marion Breckwoldt
Jeden Morgen, an dem Rainer Berg seinen Wecker zum Schweigen bringt und die stoischen Wettermeldungen für ganz Nordeuropa hört, sieht er einem neuen freudlosen Tag entgegen: Frau und Haus weg, die vom Herrn Papa gegründete und groß gemachte Firma pleite, der Job als Verkäufer von Tiefkühlkost auf dem platten Land zwischen Deich und Meer öde und schlecht bezahlt. Keine Abwechslung, keine Hoffnung, keine Freunde, kein Spaß, und so ist aus dem Mann ein echter Misanthrop geworden, der sich gar keine Mühe mehr gibt, zu irgendwem freundlich sein zu wollen, denn das Leben im Ganzen ist einfach scheiße. Und es kommt noch besser: Ihm wird die toughe flotte Lieke aus Holland als neue Chefin vor die Nase gesetzt, die in der dynamischen modernen Kapitalismuswelt erst mal alles auf Vordermann bringen muss (und selbst ein noch übleres Arschloch zum Chef hat), und ihm wird als Höchststrafe für seine ewig renitente Haltung der absolute Megaloser Moerer als Partner zur Seite gestellt, womit es fortan mit Ruhe und Selbstbestimmung vorbei ist, denn Moerer quatscht ohne Pause und hat dauernd irgendwelche „zündenden“ Ideen zu allem und jedem. Zu allem Überfluss hat sich der schwer kranke Papa in den Kopf gesetzt, seinen vermutlich letzten Geburtstag noch mal in der Fabrik zu feiern – von der er noch nicht mal weiß, das sie seit Jahren unbenutzt herumsteht. Kurz und gut, unser stets übellauniger Grummelkopf muss sich wohl oder übel bewegen – und er stellt fest, dass manchmal sogar Gutes dabei rausspringen kann...
Eine wirklich schöne Tragikomödie aus dem Norden, goldrichtig für einen lausigen Sommer, obwohl das hier kein Sommerwohlfühlfilm ist, sondern eher einer, der mit herb nordischer Lakonie die Geschichte eines tiefgefrorenen Einzelgängers erzählt, der zunächst widerwillig auftaut und zurück ins Leben findet. All das ist frühzeitig absehbar, die Geschichte mitsamt Personal bewegt sich im Rahmen konventioneller Vorgaben, doch sind die Beteiligten mit soviel Herz und Spaß am Werk, dass mich das nicht weiter gestört hat. Das hübsch karge Milieu der sprichwörtlichen norddeutschen Tiefebene wird gekonnt und poetisch in Szene gesetzt, die Story wird sehr flott und ohne Umschweife und Längen vorgetragen und die Schauspieler sind durchweg klasse, allen voran Herbert Knaup, den ich durchaus nicht immer gern sehe, der hier aber mal eine Rolle hat, die ihn irgendwie gut rüberbringt. Er ist köstlich als ewig grantelnder Mistbock, bleibt aber auch glaubwürdig, als Rainer Berg langsam auftaut und auch ein anderes Gesicht zutage fördert.
Ich muss jetzt auch nicht zu viele Worte machen, dies ist ein rundum sehenswerter, unterhaltsamer Film mit viel Lokalkolorit und ein paar wunderbar schrägen Typen am Rande unserer Schönen Neuen Welt (für die ein Wort wie „Arschkalt“ erfunden wurde). Das macht sie sympathisch, ebenso wie ihre Haltung, mit der sie sich sanft aber hartnäckig gegen ihr Los stemmen und wegen der sich unsereiner gut und gern für neunzig Minuten mit ihnen verbünden mag. (27.7.)