Blue Valentine (#) von Derek Cianfrance. USA, 2010. Michelle Williams, Ryan Gosling, John Doman, Faith Wladyka

   Die Geschichte von Cindy und Dean ist irgendwie eine Geschichte von uns allen: Der Umschwung von der Theorie zur Wirklichkeit, der Abgleich der Träume von einst mit der Realität von heute. Nur eine Handvoll Jahre liegen zwischen den ersten Begegnungen und der Trennung auf Raten. Ich brauch erst mal etwas Luft zum Atmen, sagt sie, und jeder, der diesen Satz schon mal gehört hat (wer bitte hätte ihn nicht schon mal gehört...?), weiß, wohin die Reise höchst wahrscheinlich geht. Dann wieder Szenen von früher, sie das junge Mädchen mit recht chaotischer Vergangenheit und einer ungewünschten Schwangerschaft, er der charmante Hallodri ohne großen beruflichen Ehrgeiz, der sich sofort in die hübsche Blonde verguckt und alles daran setzt, sie zu erobern. Sie kapituliert schließlich vor seiner Charmeoffensive, wirkt selbst leidlich verliebt, es gibt ein paar schön romantische Momente, dann einen abgebrochenen Schwangerschaftsabbruch, eine Hochzeit, und dann vergehen fünf Jahre, und die beiden sind im Hier und jetzt angekommen. Er ist ein angeschlagener Trinker mit weiterhin eher bescheidenen Jobs, aber viel Herz für Frau und Kind. Sie ist die praktische, arbeitende Mutter, deren ganze Kraft für die Alltagsbewältigung draufgeht, sodass rein gar nichts nur die Beziehung übrig bleibt und folglich Leidenschaft und Überschwang der Ernüchterung und Kälte Platz gemacht haben. Sein Versuch, sie für eine Nacht in ein Hotel abzuschleppen, um wenigstens ein wenig von der alten Magie wieder aufleben zu lassen, scheitert furchtbar, es gibt eine hässliche Szene, in der sie ihren ganzen Frust herausschreit und er schließlich (für immer oder nicht) erst mal das Feld räumt. So wie sie aussieht, erschöpft und ausgebrannt, ist ein Neuanfang sehr unwahrscheinlich, vielleicht aber doch nicht ganz ausgeschlossen.

 

   So läuft’s im Leben und so ist dieser Film: Mal zärtlich, mal hart, mal romantisch, mal unbarmherzig, nichts geht ohne das andere, jeder harmonische Moment wird sofort von einem desillusionierenden konterkariert, die erschütternd wort- und lieblose Tristesse des Paares von heute wird wiederum relativiert durch die Erinnerungen an den schönen Auftakt. Die ständig aufgebrochene Chronologie sorgt für harte Kontraste, unvermittelte Schnitte und wirkt zuweilen sehr herausfordernd. Man muss sich diesen Sachen schon stellen wollen, auch wenn sie einem selbst manchmal ziemlich nahe kommen, mir ging es jedenfalls so, wenn man das aber tut, erlebt man den Film vermutlich als ein sehr intensives und bisweilen bestürzend realitätsnahes Ereignis mit bestechendem Gefühl für Momente und Details. In vielem ist es ein sehr amerikanischer Film, keine Frage, vor allem in den brillant eindringlichen Milieuschilderungen aus New York und dem Kleinstadtbetrieb in Pennsylvania, in anderer Hinsicht aber hat er durchaus universelle Qualitäten, weil er Erfahrungen und Erlebnisse anspricht, die die meisten in der einen oder anderen Weise hinter sich haben. Besonders der Untergang von Liebe und Leidenschaft im Alltag zwischen Beruf und Familie, etwas, was auch mich seit Jahren verfolgt und beschäftigt, wird sehr zwingend und eindrucksvoll vorgeführt, was zum einen an der sensiblen, schnörkellosen und zugleich kompromisslosen Regie liegt, zum anderen aber vor allem an Michelle Williams und Ryan Gosling, die ihre Rollen mit einer Intensität und einem Mut gestalten, die man im US-Film nur selten antrifft, zumal nicht im kommerziellen Kino. Dieser Film zählt eher zur Kategorie des Independentkinos, aus der in letzter Zeit schon einige bemerkenswerte Werke hervorgegangen sind (man denke beispielsweise an „Winter’s Bone“ von Debra Granik), und es freut mich wirklich, dass diese in letzter Zeit so rare Gattung doch noch nicht ganz ausgestorben ist und sich von Zeit zu Zeit mal wieder zu Wort meldet. Dies jedenfalls ist ein Film, der wirklich was zu sagen hat. (8.8.)