Potiche (Das Schmuckstück) von François Ozon. Frankreich, 2010. Catherine Deneuve, Fabrice Luchini, Karin Viard, Gérard Depardieu, Judith Godrèche

   Das Schmuckstück ist natürlich Catherine Deneuve (die komischerweise einen österreichischen Akzent hat…), und die erlebt im Frankreich der späten 70er eine tolle Erweckung: Madame Pujol die Erbin einer gut laufenden Regenschirmfabrik, die ihr Gatte nun in selbstherrlichem, autokratischen Stil führt. Monsieur Pujol genießt das Leben nach Herrenart (Sekretärin, Nachtclubs und Nutten inbegriffen), sie spielt das Hausmütterchen und ist ihm eine treusorgende Ehefrau, die angeblich von seinen Eskapaden nichts weiß. Als er eines Tages den lang erwateten Herzinfarkt kriegt und kurzfristig ausfällt, wird jemand gesucht, der für ihn einspringt, und als die beiden Kinder sich zieren, schlägt Bürgermeister Gérard Depardieu, mit dem sie einst ein kurzes Affärchen hatte, die Frau Mama vor. Sie nimmt die Herausforderung an und krempelt erst mal so einiges zum, zum Entzücken der Belegschaft und Gewerkschaft und den Sohnes, zur Bestürzung des Gatten und der Tochter, die ihren eigenen Gemahl gern in der Leitungsposition sähe. Als die Frau Mama kurz vor dem totalen Durchbruch und einer radikalen Umwälzung steht, tritt der Gatte wieder auf den plan und kann sie mittels der Stimme seiner Tochter wieder aus dem Amt drängen. Für sie aber gibt’s nun kein Halten mehr – sie geht mit populären Parolen in die Politik, kandidiert als Abgeordnete für Paris und besiegt letztlich sogar den alt eingesessenen Bürgermeister.

   Ozon hat daraus die totale Satire gemacht, eine Satire auf die 70er allgemein mit allem, was dazu gehört und was eine Satire auch schön leicht macht, eine Satire auf traditionelle Geschlechterrollen, eine Satire auf bürgerliche Moral mit allem, was dazu gehört und eine Satire schön leicht macht, eine Satire auf eine Emanzipations- und Erfolgsgeschichte und zuletzt eine Politsatire, die zeigt, wie jemand gewählt werden kann, ohne die geringste Ahnung von Politik zu haben. Mme. Pujols „Wahlkampf“ ist eine einzige Satire auf alle Wahlkämpfe überall und zu jeder Zeit, das medienwirksame Händeschütteln, der Kontakt zum „einfachen Man auf der Straße“, das geheuchelte Interesse für das Leben und die Arbeit der „kleinen Leute“ und so weiter. Hinter ihren Auftritten und Sprüchen steckt nichts, aber trotzdem kommt sie an und sie hat’s auch nicht schwer, denn ihr Konkurrent tritt als selbstgefälliger Platzhirsch auf, der sich nur auf seine lange Erfahrung und sonst nichts berufen kann. Diese Satire ist ebenso spitz wie treffend und genauso amüsant wie die erste halbe Stunde, in der Ozon sich mit sichtlichem Genuss der klassischen bürgerlichen Ehe annimmt, alles natürlich hübsch überzogen (oder...?) und alles eingekleistert mit dem tödlichen Charme eines Jahrzehnts, das in jeder Hinsicht bunt und Plastik war. Die Herren als schneidige Macher, die Damen als adrett aufgeputzte Schmuckstücke. So hat der Film eine sehr unterhaltsame erste halbe und eine recht bissige letzte Viertelstunde, ja, und dazwischen hängt er dann ein wenig, denn als M. Pujol, den Fabrice Luchini als herrlich widerlichen Macho karikiert, etwas aus der Geschichte verschwindet, geht auch der Schwung verloren, denn die Deneuve, mal ehrlich, war noch nie die richtige für schwungvolle Rollen, sie allein kann dem Film keinen Pep geben, das müssen anderen tun, der Ehemann, die fiese, reaktionäre, zickige Tochter oder Karin Viard als spitzbusige Sekretärin, die sich im Kielwasser der Chefin ebenfalls von ihrer Rolle als jederzeit verfügbare Bürogeliebte emanzipiert. Auch Depardieu als mild gewordener, dackelgesichtiger Bürgermeister, der sich von den wilden Zeiten des linken Kampfes zurückgezogen hat und nun neue Gefühle für Mme. Pjuol entdeckt, hilft nicht weiter, die Geschichte hängt einfach für längere Zeit durch, der Verlauf ist absehbar, es fehlt die vorherige Lust am Übertreiben, an der Polemik, und so hat sich bei mir eine vorübergehende Phase der Langeweile eingestellt. Der finale Dreh in Richtung Politik hat mich zudem auch nicht so recht überzeugt, obgleich Ozon hier wieder aufholen kann, aber mir hätte eine Konzentrierung auf das Schlachtfeld Ehe/Familie gereicht, denn hier ist der Film mit Abstand am amüsantesten.

 

   Schön ist natürlich die lustvoll sadistische Ausstattung (Farben, Design, Klamotten), schön ist die seifige Radiomusik, die uns durch das ganze grässliche Jahrzehnt hindurch gequält hat, besonders schön ist Ozons Trick, seine Schauspieler genau so ungelenk wie in einer 70er-Jahre TV-Serie agieren zu lassen, und sein hochklassiges Ensemble trifft den Ton perfekt, sodass man sich auch in dieser Hinsicht um fünfunddreißig Jahre zurück versetzt fühlt. Und wenn der Film nicht diesen Hänger in der Mitte hätte, wäre Ozon vielleicht die ultimative Satire gelungen. Den Ansatz jedenfalls hatte er schon mal... (1.4.)