La piel que habito (Die Haut, in der ich wohne) von Pedro Almodóvar. Spanien, 2010. Antonio Banderas, Elena Anaya, Marisa Paredes, Blanca Suárez, Jan Cornet, Roberto Álamo, Susie Sánchez

   Immer wieder verblüffend, welche Facetten der olle Spanier seinem Lieblingsgenre Melodrama noch abzugewinnen vermag, nachdem er sich nun bereits seit drei Jahrzehnten daran abarbeitet. Diesmal geht’s wieder ganz besonders schräg zur Sache, direkt in Richtung Horror mit Antonio Banderas als Mad Scientist, der den Flammentod seiner geliebten Frau nicht verkraftet hat und nun nach einer widerstandsfähigeren Haut für den Menschen forscht, und überdies den Selbstmord seiner Tochter in der Psychiatrie zum Anlass für einen Rachefeldzug nimmt, indem er den Verursacher gefangen nimmt, und im Laufe von sechs Jahren aus einem eher unansehnlichen Tablettenjunkie und Vergewaltiger namens Vicente eine betörend schöne Frau namens Vera formt, die sich allerdings, wie es das Genre verlangt, am Schluss gegen den Schöpfer stellt, ihn erschießt und wieder versucht, ins alte Leben zurück zu finden.

   Dazu gibt’s eine saftige Satire gegen plastische Chirurgie und den ganzen Schönheits- und Jugendwahn, an dem unser trauriger Held mächtig viel Kohle verdient und der ihm letztlich erst die Macht verleiht, seinen monströsen Plan in die Tat umzusetzen. Und es gibt eine ironische Hommage an all die trashigen Geschichten vom verrückten Doktor, der sich ein Geschöpf nach seinem Wunschbild erschafft. Und es gibt natürlich auch allerhand wüste Episoden und Umleitungen am Rande, wobei ich nicht immer jede gleich stimmig finde (auf den sexhungrigen Rammeltiger hätte ich beispielsweise gern verzichtet...), eine kräftige Prise Frankensteingrusel, die unvermeidliche starke und doch schwache Mutter, einen verstörten, alternden Latin Lover und eine Traumfrau mit doppeltem Boden. Zwei Stunden sind mit solch farbigem Personal locker zu füllen, und Almodóvar tut dies mit dem gewohnten Temperament und der Lust am schrillen Detail. Mit der aufgebrochenen Chronologie hab ich’s in diesem Fall nicht so ganz, weil ich persönlich die Handlungsführung etwas arg unübersichtlich finde, aber immerhin offenbart sich das Geheimnis um Veras Identität auf diese Weise sehr schön effektvoll und überraschend und natürlich so irre abwegig, wie nur Almodóvar es erfinden konnte. Die eine oder andere drastische Szene entlockte dem gediegenen Publikum tatsächlich eine Reaktion, wer sich jedoch mit Almodóvars Universum beizeiten vertraut gemacht hat, rechnet ja immer buchstäblich mit allem, lediglich die Variante des exzentrischen Chirurgen, der sich an der menschlichen Haut zu schaffen macht, bietet wirklich etwas neues und erweitert die Grenzen des Terrains doch um einiges. Das macht den großen Reiz all dieser Filme aus, die im wesentlichen immer um eine Hansvoll Themen und Motive kreisen, doch hat des der gute Pedro auch diesmal wieder geschafft, sich zumindest zu einem Teil zu entwickeln, neu zu erfinden, und diese Art der Abwandlung, der Variation finde ich schon faszinierend. Das Personal ist zu einem Teil vertraut, Paredes beispielsweise, oder auch Banderas, der länger nicht mit Almodóvar gearbeitet hat, während die umwerfende Elena Anaya bei ihm bislang noch nicht so prominent in Erscheinung getreten war, was sich hoffentlich grundlegend ändern wird. Ihre Besetzung finde ich besonders raffiniert, denn sie erscheint derartig makellos, beinahe künstlich schön, dass man fast den Verdacht hat, ihre Schönheit könne auch nur das Werk geschickter Handwerker sein. 

 

   Alles in allem ist dies feinste Unterhaltung der schrägen Art, genau wie ich es erwarte von diesem Herrn und genau wie nur er es kann. Niemand sonst käme mit solch einem wüsten Konstrukt durch, wozu auch, wo er es sowieso am besten kann. (25.10.)