Fenster zum Sommer von Hendrik Handloegten. BRD/Finnland, 2011. Nina Hoss, Wark Waschke, Fritzi Haberlandt, Lars Eidinger, Lasse Stadelmann, Christoph Bach

   Wieder wagt sich das brave teutsche Kino vor in Gefilde, die bislang eigentlich den Großen vorbehalten waren und nimmt sich die beliebte Zeitschleife vor: Was, wenn man eine Zeit seines Lebens noch einmal durchlaufen könnte (oder müsste)? Würde man, mit dem Vorwissen der kommenden Ereignisse, etwas anders machen, um den Lauf der Dinge vielleicht nachhaltig zu verändern? Würde man alles ganz genau so machen, um die schönen Dinge ja nicht zu gefährden? Fatalismus oder Aufbegehren, so ungefähr lauten die Alternativen, ein oft und gern durchdekliniertes Gedankenspiel, das mal in philosophische Exkurse à la Kieslowski, mal in romantischen Hollywoodmurks eingebettet wurde. Handloegtens Film neigt eigentlich auch eher der mystischen Romanze zu, bemüht sich allerdings durchaus um etwas substanziellen Überbau – mit gemischtem Erfolg, wie ich finde.

   Juliane macht mit neuem Geliebten Sommerurlaub in Finnland, der Heimat ihres Vaters, und wacht eines Morgens zu ihrem Entsetzen im winterlichen Berlin auf, um ein paar Monate zurückgeworfen, zurück in eine unglückliche und sich jahrelang quälend hinschleppende Beziehung, in einen wenig befriedigenden Job, immerhin aber auch vor den schrecklichen Unfalltod ihrer besten Freundin. Und so muss sie fortan jonglieren. Wie lerne ich den neuen Mann wieder kennen, mache ihn in mich verliebt und verhindere gleichzeitig, dass Emily erneut vom Auto überfahren wird und ihren kleinen Sohn Otto allein zurück lässt. Einerseits will sie also alles beim alten lassen, andererseits unbedingt etwas ändern, und gerade als es scheint., als sei ihr der Balanceakt gelungen, schlägt das Schicksal trotzdem zu, mündet dann aber doch in ein halbwegs ansehnliches Happy End, in dem Juliane zusammen mit Otto und der neuen Eroberung dem finnischen Sommer entgegen fährt.

   Dieses Ende hätte meinetwegen nicht ganz so seicht sein müssen. Und meinetwegen hätte Handloegten die Handlung gern etwas übersichtlicher gestalten können, denn mittendrin kommt der Zuschauer teilweise etwas aus dem Takt, weil eben der Anspruch ist, diese total konstruierte Geschichte mit etwas zusätzlichem Futter anzureichern. Insgesamt ist das ein wenig halbherzig ausgefallen, denn zu einer wirklich ergiebigen Reflexion über Schicksal, Zufall, Vorbestimmung oder ähnliches reicht’s dann doch nicht, während andererseits der in Hollywood übliche Gefühlskitsch gottlob auch vermieden werden konnte. Besonders in den Szenen mit Juliane und dem mürrischen Philip illustrieren eines der zentralen Themen des Films, nämlich ihre innere Unentschiedenheit, ob sie die Dinge einfach ein zweites Mal geschehen lassen oder versuchen soll, ihre Zukunft in eine andere Richtung zu lenken, wohl wissend, dass sie damit riskiert, nicht auf ihre neue Liebe zu treffen. Der Film bezieht eine sehr reizvolle Spannung aus diesem Gedankenspiel, ist sich nur gelegentlich selbst ein bisschen im Weg, wenn es zwischendurch mal ein wenig konfus wird. Immerhin weist er eine sehr attraktive Optik und eine erstklassige Besetzung auf, aus der die wie immer ein wenig entrückte, enigmatische Nina Hoss und die im Gegensatz dazu äußerst lebenslustige und bodenständige Fritz Haberlandt herausragen und ihre gemeinsamen Szenen zu besonderen Vergnügen machen.

 

   Vielleicht nicht in allem gleich gut geglückt, ragt der Film dennoch aus dem Durchschnitt heraus, ist auf jeden Fall sehr interessant und stimmungsvoll und allemal einen Kinobesuch wert. (16.11.)