Hell von Tim Fehlbaum. BRD, 2011. Hannah Herzsprung, Lars Eidinger, Stipe Erceg, Angela Winkler, Lisa Vicari
Cooool! Und da sage noch einer, der brave deutsche Filme würde sich nix trauen! Wie wär’s dann damit: Katharina Blum meets The Road und nimmt nebenbei noch ne Portion Texas Chainsaw mit. Apokalyptischer Horror made in Germany, der es in absolut jeder Hinsicht mit internationalen Produktionen aufnehmen kann, der mir eigentlich sogar noch besser gefällt, weil er sich in sehr angenehmer Weise zurückhält, wenn’s um den Einsatz massiver Effekte geht. Selbst der Name Roland Emmerichs, der ja normalerweise Anlass zu größter Beunruhigung wäre, kann in diesem Falle gelassen im Nachspann zur Kenntnis genommen werden, denn dessen Handschrift ist hier nun wirklich nirgends spürbar – gottseisgelobt!
Die Ausgangslage: Im Jahre 2016 hat sich die Erde im Zuge kontinuierlicher Erwärmung in eine unbehauste Dörrewüste verwandelt und die herkömmliche Ordnung ist völlig zusammen gebrochen. Wer überleben will, tut dies um jeden Preis, Wasser ist das höchste Gut, und überall ziehen marodierende Banden durchs Land, um die letzten Reste an Nahrungsmitteln zu ergattern. Unterwegs sind auch Maria mit ihrer jüngeren Schwester Leonie und Freund Philip. Sie wollen sich mit dem Auto in die Alpen durchschlagen, weil sie dort größere Wasservorräte vermuten. Unterwegs aber geraten die vier – mittlerweile hat sich ihnen noch der etwas geheimnisvolle Tom angeschlossen - in einen Hinterhalt, werden auf einen Bauernhof verschleppt, der sich als ein wahrer Ort des Grauens entpuppt, und nicht alle werden mit dem Leben davon kommen...
Der abschließende Blick geht in eine unsichere, weil unverändert düstere Zukunft, und genau so skeptisch fällt die allgemeine Bilanz bezüglich der menschlichen Lage aus: Die Hüllen der Zivilisation sind im Zeichen der Ökokatastrophe gefallen, zutage tritt die hässliche Fratze von Gewalt, rücksichtslosem Überlebenswillen, Kannibalismus und Egoismus. Philip verkörpert letztgenannten Typ, der sogar nicht zögern würde, die hilflose Leonie in der Gewalt der Mörderbande zurückzulassen, nur um selbst mit heiler Haut davon zu kommen. Auch Maria und Tom verlieren letztlich einen wesentlichen Teil ihrer humane Integrität, indem sie wild entschlossen töten, um selbst am Leben zu bleiben, und besonders Marias sieht man das Entsetzen, das Unbehagen über sich selbst deutlich an. Dazwischen dann noch ein paar Mutanten aus dem bewährten Arsenal des klassischen Horrorfilms: Mama und ihre debile Familie, die sich zum Glockenschlag um den Mittagstisch versammelt, und wenn da eine deftige Kelle auf den Teller geklatscht wird, weiß man mittlerweile, welche Sorte Fleisch das ist. Das Grauen wird äußerst dicht und nachdrücklich bebildert, niemals aber mit Schocks um ihrer selbst willen – wie gesagt, der Film ist vom Effektkino à la Hollywood doch noch ein gutes Stück entfernt, sonst hätte ich ihn mir auch nicht bis zum Schluss angesehen. Potential für deftigen Splatterhorror gibt’s reichlich, aber spannend genug ist es auch so allemal. Dafür sorgen die sehr gradlinige, durchgehend konzentrierte und brillant ökonomische Erzählweise, die markanten, starken Darsteller und vor allem die eindrucksvolle Bildgestaltung, das fiebrig nervöse Digitaloptik, die stets ganz nah dran ist am finsteren Geschehen, die grellen, ausgebleichten Farben, die rasante Montage und die effektvoll inszenierte apokalyptische Landschaft, die mit wenig Aufwand maximale Wirkung erzielt.
Also: Die Deutschen können Genrekino machen, und zwar so richtig gutes, auch auf Gebieten, die nicht gerade zu ihren angestammten gehören (siehe auch „Die kommenden Tage“), und ich bin weißgott kein Lokalpatriot oder so was (eher im Gegenteil...), finde es aber trotzdem sehr erfreulich, wenn ich auch mal solche tollen, spannenden Unterhaltungsfilme vor einheimischer Kulisse und mit den geschätzten und erstklassigen einheimischen Schauspielern genießen kann. (28.9.)