Hereafter (Hereafter – Das Leben danach) von Clint Eastwood. USA, 2010. Matt Damon, Cécile de France, George McLaren, Frankie McLaren, Jay Mohr, Bryce Dallas Howard, Thierry Neuvic, Marthe Keller
Die Geschichte dreier Menschen, die auf die eine oder andere Weise mit dem Tod zu tun haben: Marie aus Paris wird beim Urlaub in Fernost von einer Tsunami erwischt, ertrinkt beinahe und erinnert sich später an eigenartige Visionen, die sie als Nahtoderfahrungen einstuft. Marcus aus London verliert seinen geliebten Zwillingsbruder Jason durch einen tragischen Autounfall, und da seine Mutter ein haltloser Junkie ist, wird er zum Leben bei einer Pflegefamilie gezwungen und vermist den toten Bruder nur noch mehr. George aus San Francisco ist ein Medium mit genialischer Begabung, nur hat er es satt, immer nur Kontakt zu Toten zu haben, sehnt sich vielmehr nach einer ganz gewöhnlichen diesseitigen Existenz, doch was er tut, immer wieder wird er auf seine seltene Fähigkeit reduziert. Die Lebenswege der drei vereinigen sich schließlich in London, wo Marie ihr Buch über ihre Todeserfahrung promoted, George als Verehrer von Charles Dickens auf den Spuren des Idols wandelt und Marcus mit den Zieheltern eine Buchmesse besucht, wo die drei dann nacheinander zusammentreffen.
Clint Eastwood hat auf seine gewohnt bedächtige, geduldige Weise einen Film inszeniert, der durchaus sehr berührende, gefühlvolle und intensive Momente vorweist, der aber für meinen Geschmack oder meine Erwartung nie ganz zum Kern der Sache vordringt, sondern sich gerade dann, wenn es interessant zu werden verspricht, ausgesprochen vage und zum Teil auch oberflächlich verhält. Gefragt sind dabei durchaus keine bildgewaltigen Visionen à la Peter Jackson, von mir aus auch kein Grenzgängerdrama à la Peter Weir, doch andererseits haben diese beiden Filme gemacht, die mich wirklich sehr beeindruckt und beschäftigt haben, was ich von Eastwoods Film nicht sagen kann. Sein wie gewohnt lobenswerter und konsequent durchgezogener Vorsatz, sich billiger Polemik, plakativer Effekthascherei oder aufdringlichem Kitsch zu entziehen, ehrt ihn, doch bin ich mir diesmal nicht mal so sicher, ob ihm das durchgehend gelungen ist. Am Ende spielt der kleine Marcus den Glücksbringer, steckt George die Adresse der schönen Marie und sorgt somit dafür, dass die beiden zusammenkommen. Diese Liebesgeschichte kurz vor Schluss empfand ich als ziemlich aufgesetzt und als keine wirklich überzeugende Möglichkeit, aus dieser Geschichte auszusteigen. Genauso abstrus wirkt Georges Versuch, seine übersinnlichen Fähigkeiten mit einer frühkindlichen Krankheit und einer missratenen Operation zu erklären, was von uns Zuschauern mit Sicherheit niemand wissen wollte und was auch völlig unerheblich ist für den Fortgang der Ereignisse. Mehr schon hätte mich ein intensiverer Blick auf die drei Protagonisten interessiert, und gerade hier bleibt Eastwood arg an der Oberfläche. Zwar wirkt George häufig verstört oder niedergeschlagen, doch was in ihm vorgeht, was seine Readings wirklich anrichten in ihm, bleibt ebenso unklar wie die Reaktion Maries auf die Bilder, die sie im Kopf hat, als sie bewusstlos vom Wasserstrom mitgerissen und erst in letzter Sekunde gerettet wird. Auch hier ist keineswegs gefragt, diese Erfahrungen in platte Bilder zu fassen, aber einfach ein wenig mehr Innenschau hätte mir schon gefallen, zumal das äußere Leben, das Drumherum in den drei Städten so interessant und unterhaltsam nicht ist und die einzelnen Geschichten bei Licht besehen auch gar nicht mal so sonderlich von der Stelle kommen, wenn man von Georges vergeblichem Versuch, ein Mädchen ganz normal kennen zu lernen, mal absieht.
Ich erwarte an solchen Stellen auch nicht die letztgültigen Statements eines Künstlers zum Thema Tod und Sterben und Jenseits und was weiß ich, ich erwarte allerdings doch einen Film, der in irgendeine Richtung entwickelt wird und möglichst und wenn’s eben geht irgendwas zu sagen hat. Und genau da habe ich mich irgendwann in der zweiten Stunde zu fragen begonnen, ob Eastwood wirklich was zu sagen hat zu seinem Thema, und wenn ja, was es denn sein könnte. Die Geschichte bewegt sich eigentlich nirgendwohin, und die Auflösung mit einer wackeligen suspense, ob die beiden sich nun kriegen oder nicht, hat mit allem, was davor war, herzlich wenig zu tun.
Trotz der gewohnt sorgfältigen und sehr konzentrierten Regie, trotz der guten Darsteller und einigen interessanten Ansätzen hat mich der Film unterm Strich unbefriedigt unentschieden zurück gelassen. Er hat mir wenig Anhaltspunkte zum Nachdenken, zum Mitdenken gegeben, und ich merke einen Tag danach, dass er auch nicht sonderlich nachwirkt, was für mich bedeutet, dass das Projekt insgesamt ein wenig schief gegangen ist. (15.2.)