Ma part du gâteau (Mein Stück vom Kuchen) von Cédric Klapisch. Frankreich, 2010. Karin Viard, Gilles Lellouche, Audrey Lamy, Jean-Pierre Martins, Raphaële Godin, Kevin Bishop, Zinedine Soualem

   Mein Stück vom Kuchen und wie ich’s mir an Land ziehe – darum geht’s heut mehr denn je, wenn alle das Gefühl haben, nicht genug davon abzukriegen, nicht satt zu werden, nicht zu partizipieren am großen Reibach. Der Triumph des Kapitalismus, das blanke Hauen und Stechen und materielle Güter, ein jeder ist sich selbst der nächste und so weiter. Wohl muss dabei bedacht werden, dass dieser Kampf auf sehr verschiedenen Ebenen und unter sehr unterschiedlichen Vorzeichen ausgetragen wird. Cédric Klapisch führt uns hier folglich zwei Protagonisten vor Augen, die jeweils an entgegen gesetzten Polen der Nahrungskette ackern: France ist Mutter dreier Töchter und schuftet in einer Fabrik im schöööönen Dünkirchen. Bis die Fabrik eines Tages geschlossen wird und sie vor dem Nichts steht. Im Affekt schluckt sie Tabletten, doch dann kommt das Kämpferherz wieder durch, sie rappelt sich hoch, geht nach Paris und nimmt eine Stelle als Haushaltshilfe an. Und zwar bei Steve. Der kommt frisch aus London, wo er jahrelang fett Karriere im Finanzbusiness gemacht hat: Ein eiskalter Typ, ein Abwickler, ein Plattmacher, ein Zocker, einer, der per Mausklick in einer Sekunde Beträge verschiebt, von denen France nicht mal zu träumen wagt und die sie im ganzen Jahr nicht verdient. Außerdem ein Machoscheißkerl, der Frauen nur fürs Bett braucht und auch noch einen Sohn hat, der ihm höchst lästig ist und den er am liebsten gar nicht sieht. Und der hauptverantwortlich ist für die Schließung jener Fabrik, in der France zwanzig Jahre lang gearbeitet hat. Als sie das rauskriegt, hat sich zwischen den beiden schon eine ganz merkwürdige Beziehung entwickelt und fast kommt er durch mit seiner dreckigen Tour, als er sie aber auch noch als Frau demütigt und genauso wegwerfen will wie alle vor ihr, ist der Ofen endgültig aus und France zieht andere Saiten auf...

   Ein Film, der sehr launig hin und herspringt zwischen den Genres: Mal knallige Sozialsatire, mal Melodrama, mal Liebeskomödie, alles bunt gemischt, und dagegen habe ich prinzipiell nichts einzuwenden, nur fehlt Klapisch für meinen Geschmack manchmal etwas der rote Faden und die Klarheit, ob er hier nun ein ernsthaftes Anliegen vorbringen oder lieber nur unterhalten will. Das ist mir in diesem Falle wichtig, weil das Thema einfach wichtig ist und es eigentlich höchste Zeit wäre, mal so richtig reinzuschlagen in diese völlig pervertierte, kranke Welt aus Zahlen und Kalkulationen, die unser Dasein beherrscht und die uns praktisch aus dem Nichts jederzeit in einer bodenlose Krise reißen oder uns eine fabelhafte Konjunktur suggerieren kann. Wahrscheinlich bin ich aber mit solchen Erwartungen bei Klapisch ganz schlicht an der falschen Adresse, denn das ist eher ein Romantiker, wenn auch einer, der gelegentlich mal Haken und Ösen einbaut. Das tut er hier durchaus auch – immer mal wieder kommt frecher Witz durch, wird die  Börsen- und Finanzblase bloßgestellt als Tummelplatz zynischer, eiskalter Soziopathen, die längst jeden Kontakt zur Umwelt und den Mitmenschen verloren haben, Junkies der Macht und der Zahlen, die im Leben keinen anderen Sinn sehen, als abstrakte Millionenbeträge hin und her zu schieben. Dieser Welt stellt Klapisch die Welt der Normalos gegenüber, und da hat er sich mit France eine wirklich ganz normale Frau und Mutter rausgesucht, die später unversehens konfrontiert wird mit einem Paralleluniversum, das sie abwechselnd fasziniert und erschreckt, so wie Steve das auch tut. Klapisch geht bei der Typisierung den Klischees nicht gerade aus dem Weg, was prinzipiell in Ordnung ist, wenn’s um die Sache geht. Die aber gerät zunehmend vage und schwammig, zumal sich der Film zwischendurch gern in überflüssige und zähe Nebenhandlungen verliert, beispielsweise Steves scheiternde Romanze mit dem Modell, die viel zu breit ausgewalzt wird und niemanden wirklich interessiert. Und je länger die Geschichte dauert, desto schwerer scheint es zu werden, einen plausiblen Ausweg zu finden, und so greift Klapisch zuletzt zum handfesten Drama, lässt France den kleinen Sohn kurzerhand nach Frankreich entführen, wo es dann zur großen Abrechnung kommt. Ein etwas sehr aufgeblasenes Finale, das uns zwar auf den ersten Blick zufrieden stellen könnte, weil die Bösen ihr Fett abkriegen, das aber die Menschen ein wenig aus den Augen verliert.

 

   Und so habe ich den Film insgesamt als etwas unrund empfunden - nicht Fisch, nicht Fleisch, in vielen Szenen nett, auch mal witzig, auch mal rührend, auch mal etwas bissig, auf jeden Fall schmissig inszeniert und toll gespielt von Viard und Lellouche, aber für meinen Geschmack ein wenig zu unstet und unfokussiert, um mehr zu sein als Unterhaltung. (4.10.)