Mr. Nice (#) von Bernard Rose. England/Spanien, 2010. Rhys Ifans, Chloë Sevigny, David Thewlis, Christian McKay, Andrew Tiernan, Lluis Tosar, Omid Djalili, Jamie Harris, Ken Russell

   Die Geschichte von David Howard Marks, der nach einer einfachen Kindheit in Wales über einige Jahre als Student in Oxford einstieg in eine international beachtete Karriere als Drogenschmuggler, die er jahrelang mit großem Erfolg pflegte und die ihm unter anderem Kontakte zur MI6 und zur IRA einbrachte und ihn auf die Fahndungsliste einiger Drogenbehörden setze, vor allem der US-amerikanischen DEA. Und die haben ihn sich schließlich mit Hilfe ihrer spanischen Kollegen geschnappt und für 25 Jahre verknackt. Weil aber der Herr Marks, er zeitweilig eine Identität als Mr. Nice innehatte, ein wirklich kluger Kopf war, hat er sich im Knast von Terre Haute gleich zum Anwalt und Schreiber aufgeschwungen, und so ist ihm als erstem Drogenschmuggler die Entlassung auf Bewährung geglückt und damit die Rückkehr zu Frau und Kindern.

   Basierend auf den gleichnamigen Erinnerungen von Mr. Nice höchst selbst, und das ist natürlich auch schon das Problem des Films. Der kommt über weite Strecken daher wie eine lockere, gut gelaunte Anekdotenparade aus einem wahrhaft bunten Leben, zeigt unseren Helden mal als liebenden Familienvater, gewieften Geschäftsmann und Spielball internationaler Geheimdienste. Der MI 6 ist im Boot in Gestalt eines alten Kumpels aus Oxforder Zeiten, die IRA ist im Boot in Gestalt einen total schrägen Freaks, dann gibt’s da noch die L.A. Connection, einen giftigen Bullen aus Spanien und zahllose Grenzbeamte, denen Mr. Nice wieder und wieder durch die Lappen geht. Zu seinen besten Zeiten hatte Marks offenbar einen beträchtlichen Anteil am weltweiten Handel mit Haschisch und Marihuana, wobei er an der Schaltstelle zwischen Pakistan, Irland und den USA saß und dafür sorgte, dass der Zufluss an gutem Stoff nie versiegte. Einmal entkam er in einem skurrilen Prozess dem Zugriff des Gesetzes, beim zweiten Mal wurde er von seinen Mitstreitern im Stich gelassen und verraten, sodass es kein Entkommen gab. Neben diesen Ereignissen steht das Verhältnis zu Judy im Mittelpunkt, seiner Freundin, späteren Ehefrau und Mutter seiner zahlreichen Kinder. Wir sehen die Familie mal unter Druck, mal beim easy living unter mallorquinischer Sonne, ein rastloser und ständig wachsender Trupp, der zuletzt massiv in Gefahr gerät, als auch Judy inhaftiert zu werden droht, wenn Marks nicht die volle Verantwortung auf sich zieht (was er letztlich aber tut).

   Im Schweinsgalopp geht’s durch Jugend, Mobbing an der Schule, die Swinging Sixties im altehrwürdigen Balliol College zu Oxford, den Einstieg ins Geschäft und so weiter. Manches davon ist wirklich amüsant, wird auch als ironisches Zeitbild treffsicher ins Bild gesetzt, manches wiederum wird allzu flüchtig gestreift und wirklich nur im Stil einer Nummernrevue abgehakt, und gerade die Verbindungen Marks’ zu solch dubiosen und vollkommen konträren Organisationen wie der IRA oder dem MI 6 wären die eine oder andere Betrachtung wert gewesen. Abgesehen davon wird natürlich vollkommen nonchalant damit umgegangen, dass unser Mr. Nice nichts weiter als ein Verbrecher ist und zwar in einer Branche, die man nur mit größter Verachtung strafen kann. Was es mir persönlich unmöglich macht, mich auch nur für eine Sekunde mit diesem Knaben zu identifizieren, auch wenn er den Verfolgern manch cleveres Schnippchen schlägt. Er ist und bleibt unter dem Strich ein schäbiger Drogenschmuggler, und für die habe ich nun mal keine Sympathie übrig. Auch die Personifizierung durch Rhys Ifans, den ich sonst immer klasse finde, ist da keine große Hilfe, denn der bleibt zwei Stunden lang der großäugige kleine Junge, mal ratlos, mal verschlagen, mal high, mal in Sorge, der nie so aussieht, als könne er für die Tragweite seiner Geschäfte irgendeine Verantwortung übernehmen oder als sei er imstande, die möglichen Konsequenzen für seine eigene Familie einzukalkulieren. Er macht einfach weiter, zieht die Fäden auf drei Kontinenten, scheffelt Kohle in rauen Mengen, jongliert sich durch haarsträubende und groteske Situationen und muss eigentlich wissen, dass er früher oder später dran sein wird.

 

   So ist dies also keine aufgepeppte Robin-Hood-Variante in modernem Gewand oder etwa eine charmante Gaunerkomödie vor fotogener Kulisse, sondern wenn man mal bös sein will, das selbstgefällige Porträt einer Arschgeige, die mit unverschämt viel Glück und Chuzpe davon gekommen ist und ganz offensichtlich noch immer viel Geld mit dieser Biografie macht. Wenn man etwas Humor mitbringt (mehr als ich) kann man an der einen oder anderen Szene viel Spaß haben, ich persönlich fand den Kerl eher unsympathisch und mag mich für den Film im ganzen trotz seiner unbestrittenen Vorzüge nicht erwärmen. (29.6.)