Pina – tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren von Wim Wenders. BRD, 2010

   Wenders’ Hommage an die 2009 verstorbene berühmte Tänzerin, Choreographin und Leiterin eines weltweit anerkannten Ensembles: Wir sehen Teile größerer Choreographien, zahlreiche Solostücke, eingeschnittene Erzählteile mit Tänzern und Wegbegleitern, die sich an Pina und ihren besonderen Zugang zur Musik, zum Tanz und zum Menschen erinnern, und ganz kurze Szenen mit Pina Bausch selbst. Ganz offensichtlich ein Werk der Trauer und der Bewunderung, in dem sich der Ästhet und der Musikfan Wenders voll ausleben können – und es auch tun. Ich habe den Film nicht in 3-D gesehen, aber auch zweidimensional erschließt sich eine ganz eigene, häufig faszinierende, manchmal auch sperrige und unzugängliche Kunstwelt, in der Performance, Pantomime, Schauspiel und Ausdruckstanz eine einzigartige Mischung bilden, die einen Tanzmuffel wie mich mal ansprechen und mal ziemlich unberührt lassen. Vor allem die langen Ausschnitte aus dem „Café Müller“ fand ich persönlich recht ermüdend, während mir Pinas Version des „Sacré du printemps“ sehr gefallen hat, erst recht aber die Soli und Duette, die zum Teil sehr fantasievoll, poetisch und expressiv sind und für die Wenders exquisite Settings gefunden hat, teilweise mitten in Wuppertals Innenstadt, in leeren Industrielandschaften und –räumen, auf riesigen Abraumhalden oder natürlich in der unvermeidlichen Schwebebahn. Wenders empfindet Bauschs Kombination aus tiefem, expressiv getanztem Gefühl und skurrilem Humor nach und erweist auch ihrer engen Beziehung zur Natur und den Elementen seine Reverenz, indem er vor allem häufig das Wasser in die Szenen integriert. Die kurzen Erinnerungen der Tänzer drücken Trauer und Verlust aus, vieles noch unbearbeitet und zeugen von einer äußerst engen Verbindung innerhalb der Truppe, die zwar aus Solisten besteht, aber durchweg von Bauschs Geist beseelt gewesen zu sein schien. Sicherlich erschließen sich viele Dinge solchen, die sich damit auskennen, eher als mir, der ich hauptsächlich die ungewöhnlich vielfältige Musikauswahl und die zum Teil sehr originellen Szenerien schätze, nicht so sehr dagegen die deutlichen Längen im letzten Viertel, die mich wünschen ließen, der Film wäre nach neunzig Minuten oder so zuende gewesen – der Substanz hätte dies keinerlei Abbruch getan. Immerhin ist der Film frei von Wenders’ oft so bräsigem Pathos, er wirkt sehr persönlich und konsequent, und ist gottseidank ganz auf Pina Bausch fokussiert, kommt also ohne die Themen und Posen aus, die mich an den Wendersfilmen seit zwanzig Jahren etwas nerven. Aber mit Bildgestaltung und Rhythmus hat er’s ja, war also so gesehen der richtige Mann für das Projekt, das mich jetzt nicht gerade zum Fan macht, das ich aber durchaus als eine interessante und neuartige Begegnung mit einer mir ansonsten eher fernen Kunstform erlebt habe. (21.3.)