Sommer in Orange von Marcus H. Rosenmüller. BRD, 2011. Amber Bongard, Petra Schmidt-Schaller, Georg Friedrich, Oliver Korittke, Brigitte Hobmeier, Béla Baumann, Heinz-Josef Braun, Bettina Mittendorfer, Florian Karlheim

   Coming of age im Jahre des Herrn 1980: In New York wird John Lennon erschossen, in den Großstädten gehen die Punks auf die Barrikaden (oder auch nicht), und in den Postämtern, Sparkassen und anderen öffentlichen Gebäuden werden die Fahndungsbilder er ersten RAF-Generation durch die der zweiten ausgetauscht. Und in den Städten tauchen immer mal wieder hordenweise merkwürdig orange und rot gekleidete Leute auf, die sich ekstatisch in wallenden Gewändern wiegen, unverständliche Laute von sich geben und Bilder eines bärtigen älteren Herrn mit weisem Lächeln anbeten. Zu diesen Sannyasins gehört auch die Mama von Lili und Fabian. Man lebt in einer Kommune in Berlin, und erfreut sich allgemein des Lebens. Unruhig wird’s erst, als Mamas aktueller Lover einen Bauernhof im Voralpenland erbt, und die ganze Bande beschließt, dort ihre Zelte aufzuschlagen. Der Kontrast zwischen den unkonventionellen und in jeder Hinsicht lebensfrohen Kommunarden und den bayerischen Ureinwohnern in einer nicht gerade durch Fortschrittlichkeit geprägten kleindörflichen Gemeinschaft könnte kaum größer sein. Und so sind mehr oder minder turbulente Begegnungen und Konflikte vorprogrammiert. Ganz nebenbei geht’s aber auch darum, wie sich die zwölfjährige Lili einen eigenen Platz im Leben erobert, was unweigerlich zu Auseinandersetzung mit der recht selbstsüchtigen Mama führen muss.

    Rosenmüller schlachtet natürlich das Culture-Clash-Motiv weidlich aus und nutzt es für einige sehr amüsante Momente, er räumt aber auch Lilis Geschichte viel Raum ein, beschreibt, wie sie in der Schule zunächst hoffnungslos ausgegrenzt wird und sich dann mehr und mehr bemüht, über Assimilation Anerkennung und Freundschaft zu finden, zumal sie bei ihren eigenen Leuten ziemlich verloren ist, da die rund um die Uhr mit sich selbst zu tun und für die oft ganz banalen Bedürfnisse der beiden Kinder (denn Lili und ihr Bruder sind die einzigen in der Kommune) keinen Blick haben. Mamas Selbstfindungstrip lockt sie fast fort nach Oregon, und erst als Lili zu radikaleren Maßnahmen greift, findet die Gehör und macht ihrer Mutter klar, wo die Prioritäten zu liegen haben. Mir persönlich haben diesen Szenen viel besser gefallen als der komödiantische Teil, der zudem so originell auch nicht geworden ist, denn Rosenmüller kann hier sein großartiges Gefühl für Kinder zur Geltung bringen, indem er sich Lili und ihrer Welt mit Behutsamkeit, Einfühlung und sehr viel Sympathie nähert. Klischeehafte Momente sind in solcher Konstellation fast unvermeidlich, doch da Rosenmüller auch die Sannyasins nicht allzu ernst nimmt (wie könnte er auch...), wird keine der beiden Parteien einseitig denunziert und bloßgestellt. Der Ton ist liebevoll ironisch, gelegentlich mal etwas deftiger, doch indem die Antagonisten am Schluss in scheinbar friedlicher Koexistenz zusammenfinden, wird eine hübsche Utopie mit den besten Elementen aus beiden Lebensformen vorgestellt – die Experimentierfreude und Freiheitsliebe der Kommunarden und das Erdige, Geborgenheit vermittelnde der Dorfbewohner, nach dem Lili eben auch mal sehnt, weil die Mutter ihr so gar keinen Halt und keine Sicherheit zu geben vermag.

 

   Im Ganzen finde ich den Film ganz sympathisch und unterhaltsam, mit sichtlichem Spaß inszeniert und gespielt, wenn auch für mindestens eine Viertelstunde zu lang. (Vom nahezu pausenlosen Soundtrack des Herrn Baumann bin ich auch nicht gerade übermäßig begeistert.) Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit zieht Rosenmüller einige Szenen über Gebühr in die Breite, was doch zum einen oder anderen Durchhänger führt, manche gute Gags ein wenig verdampfen lässt und dazu, dass ich diesen Film nicht unter seine besten einsortieren würde, was aber nicht heißt, dass er nicht sehenswert wäre. Immer wenn Lili zum Zug kommt, wird er richtig stark, und vielleicht hätte sich Rosenmüller einfach ganz auf sie konzentrieren sollen und der Film wäre noch besser geworden. (6.9.)