The Bang-Bang Club (#) von Steven Silver. Südafrika/Kanada, 2010. Ryan Phillippe, Taylor Kitsch, Frank Rautenbach, Neels van Jaarsfeld, Marlin Åkerman, Patrick Lyster, Russel Savadier
Dieser Club mit dem merkwürdigen Namen hat tatsächlich existiert, nämlich in Form von vier südafrikanischen Fotojournalisten (drei Südafrikanern und einem Portugiesen, um genau zu sein), von denen zwei für besonders spektakuläre Schnappschüsse jeweils einen Pulitzerpreis erhielten, und die vornehmlich im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg zwischen Anhängern des ANC und der Inkatha in den Jahren 1990 bis 1994 zu internationaler Geltung kamen. Diese Jahre markieren den Zeitraum zwischen Mandelas Freilassung und den ersten freien Wahlen, die gleichzeitig ein Ende der blutigen Auseinandersetzungen bedeuteten. ANC und IFP waren ursprünglich zwei Verzweigungen einer Bewegung, spalteten sich jedoch im Laufe der Zeit zunehmend, und dieser Umstand wurde von der Apartheidregierung genutzt, um gewalttätige Unruhen anzuheizen, bei denen tausender von Menschen grausam getötet wurden, hauptsächlich in den Townships um Johannesburg. Von den vier Fotografen überlebten zwei die Zeit nicht: Ken Oosterbroek wurde im April 1994 versehentlich von der neu eingesetzten „Friedenstruppe“ im Township erschossen, und Kevin Carter beging nur drei Monate darauf ausgebrannt und entmutigt Selbstmord, zermürbt von Drogenkonsum, finanzieller Not und der fortwährenden Frage nach dem Sinn seiner Tätigkeit. Die beiden anderen, João Silva und Greg Marinovich, leben noch, Silva allerdings nach einem Minenunfall in Afghanistan schwer verstümmelt, während Marinovich als Berater diesen Film unterstützen konnte.
Der Film widmet sich den oben erwähnten vier Jahren, steigt ein mit der Schilderung, wie Marinovich als letzter in den verschworenen Haufen aufgenommen wurde, nimmt auch ein paar Privatgeschichten mit (Marinovichs Liaison mit seiner Herausgeberin Robin), auf die ich gern verzichtet hätte, und konzentriert sich aber weitgehend auf die zum Teil aberwitzig gefährlichen Ausflüge mitten in die Brandherde in den Townships, die Versuche der Reporter, die Brutalität und den Wahnwitz des Bürgerkriegs zwischen den Zulus der Inkatha und den Anhängern des ANC einzufangen und wenn möglich auch die schmutzigen Intrigen der Regierung, die die IFP aktiv unterstützten, in den Blick zu nehmen. Persönliche Betroffenheit ist dabei vor allem bei Carter und Marinovich spürbar, die sich das Grauen und die Gewalt nicht so leicht vom Leib halten können und sichtlich mitgenommen sind, während die beiden anderen sich als Profis gebärden, die vor allem ihren Job machen. Man trifft sich außerhalb der Kriegsschauplätze in der Redaktion, Clubs, Bars, Kneipen, geht auch schon mal mit den Mädels grillen oder schwimmen, doch die Kamera liegt immer schussbereit neben dem Bett, stets ist man bereit, für den einen goldenen Schuss buchstäblich Kopf und Kragen zu riskieren. Die Jungs vom Bang-Bang Club werden wahrscheinlich treffend als Adrenalinjunkies gezeigt, besonders Marinovich begibt sich ein ums andere Mal in haarsträubende Situationen, was selbst seinen hartgesottenen Kumpels Respekt abnötigt. Er ist es dann auch, der mit dem Bild des brennenden und zusätzlich noch mit einer Machete abgeschlachteten ANC-Mannes den ersten Pulitzerpreis abräumt, während Carter zwei Jahre später nachzieht mit jenem berühmten Bild aus dem Sudan, der ein verhungerndes Mädchen zeigt, das scheinbar von einem Aasgeier belauert und bedroht wird. Erst im Zusammenhang mit der Preisverleihung wird dann das Dilemma angesprochen, das mich eigentlich bei diesem wie bei allen anderen Filmen über Kriegsreporter beschäftigt: Was sind das eigentlich für Kerle, welche Bedeutung hat ihre Arbeit und womit ist sie gerechtfertigt? Können ihre Fotos tatsächlich etwas bewegen oder handelt es nur um Sensationsgeilheit, die letztlich kommerziell motiviert ist und lediglich der Karriere dienen soll? Carter muss sich auf einer Pressekonferenz fragen lassen, was aus dem Mädchen geworden ist, das er fotografiert hat und ob er ihm vielleicht geholfen habe. Irritiert verneint er, irritiert deshalb, weil er dies nicht als seine Aufgabe betrachtet hatte, denn die bestand wie immer nur daraus, Bilder zu machen. Diese Jungs beziehen keine Stellung, was in der Regel lebenserhaltend für sie ist, denn nur so werden sie an all den Schauplätzen akzeptiert und nicht gleich über den Haufen geschossen. Sie rücken dem Krieg, der Gewalt, dem Tod geradezu obszön nahe auf die Pelle, überwinden alle ethischen Schranken zugunsten des starken Effekts, bringen sich immer und überall in Position, wo das nächste Massaker loszubrechen verspricht. Darin liegt eine Obszönität, die in diesem Film sehr deutlich wird, die zwar nicht beschönigt, allerdings auch nicht in irgendeiner Form beurteilt wird. Natürlich muss man sich daran gewöhnen, dass Krieg heutzutage live in die Wohnstuben übertragen wird, direkt vor Ort gefilmt, so wie auch die Fotoreporter mitten drin sind und offenbar von allen auch als Teil der Show wahrgenommen und akzeptiert werden. Leider, so sehe ich es jedenfalls, hat diese Form der unmittelbaren Berichterstattung in unserer schönen neuen Medienwelt in keiner Weise dazu beigetragen, Konflikte gewaltfrei zu lösen oder gar im Ansatz zu verhindern, oder auch die Weltbevölkerung zuverlässiger und objektiver als früher zu informieren, im Gegenteil. Noch immer werden die Medien vor jedweden Karren gespannt, noch immer werden Informationen sorgsam gefiltert und notfalls gefälscht oder zurückgehalten, und mehr denn je scheint größte Skepsis angebracht, wenn es um die Aussagekraft einzelner Bilder geht. Der Verdacht entsteht, dass solche Bilder bestenfalls emblematisch für irgendwelche mehr oder minder obskuren Kampagnen herhalten können, in Carters Fall könnte sein Bild eine internationale Rettungsaktion anstoßen, könnte aber ebenso gut nur als Werbeprovokation für Benetton missbraucht werden.
Es gehen mir eine Menge Dinge durch den Kopf, während ich den Film sehe, und das spricht für ihn, denn obwohl er vielleicht nicht gerade eine besonders inspiriertes Stück Filmkunst ist, dass heißt nicht ohne die eine oder andere Konzession an den Mainstream auskommt, beeindruckt er mich doch durch seine Spannung, seine Dichte und vor allem seine brillant authentischen Milieuszenen, die den Dokumentarfilmer verraten und die auch maßgeblich davon profitieren, dass angeblich an Originalschauplätzen gedreht wurde. Selten zeichnet sich ein Film aus einem Bürgerkrieg irgendwo in der Welt durch derart starke, überzeugende Schilderungen von Land und Leuten aus, und das ist in diesem Fall ein sehr hoch einzuschätzendes Plus. Es gibt viele starke Filme über Reporter in Krisengebieten, dieser hier gehört ab sofort dazu, und ganz nebenbei hat er auch noch den Verdienst, uns einen wirklich vergessenen Krieg in Erinnerung zu führen, denn wie spärlich und spät die Weltöffentlichkeit damals von dem Schlachten in den Townships informiert wurde, wirft ein bezeichnendes Licht auf unsere vermeintlich globale Informationsgesellschaft. (24.6.)