3 Zimmer, Küche, Bad von Dietrich Brüggemann. BRD, 2012. Jacob Matschenz, Robert Gwisdek, Alice Dwyer, Aylin Tezel, Anna Brüggemann, Katharina Spiering, Alexander Khuon, Amelie Kiefer, Corinna Harfouch, Hans-Heinrich Hardt, Leslie Malton, Herbert Knaup

   Bild einer Gesellschaft unterwegs: Heute Berlin, morgen Hannover, dann ab nach Stuttgart und weiter geht’s Richtung Freiburg – und das möglichst an einem Tag. Zwischen Elternhaus und Studenten-WG ist man gnadenlos mobil, ständig auf Achse, ein Umzug jagt den nächsten, aber leider ist auch alles andere im Leben dieser Freunde so flüchtig und nicht von langer Dauer. Liebesbeziehungen sind eine besonders brüchige Geschichte, Trennungen und neue Konstellationen geben einander die Klinke in die Hand, doch all die vielen Verschiebungen und Veränderungen führen nicht wirklich nach vorne, sondern immer irgendwie zur Seite. Und das geht heutzutage natürlich gar nicht! Wer mittun will im Strom der Erfolgreichen, für den geht nur eine Richtung, und zwar nach vorn, und schon deshalb sehen wir hier keine Erfolgsgeschichten, sondern mit warmer, durchaus auch ironischer Sympathie gestrickte Alltagsgeschichten. Eine Handvoll Twentysomethings zwischen vielleicht und wahrscheinlich, zwischen Studium, erstem Job, ehrgeizigen Plänen und versponnenen Träumen. Natürlich sehr mit sich selbst beschäftigt und ewig auf der Suche und gleichzeitig auf der Flucht. Die Jungs nach bekanntem Muster bräsig, unbeholfen, vertrottelt und zumeist beziehungsunfähig, die Mädchen – ebenfalls nach bewährter Art – mal verlockend, mal gefährlich, mal total verpeilt und immer ziemlich launisch. Eine Mischung, die im wirklichen Leben wie auch in diesem Film selten gut funktioniert, sodass früher oder später einer die Reißleine zieht und am Ende des Films so gut wie keine Partnerschaft vom Anfang Bestand hat. Vorbild für diese Untauglichkeit sind selbstverständlich die Eltern die alle irgendwann einsehen müssen, dass sie ihr Leben auch nicht besser auf die Reihe kriegen und ihren Sprösslingen kein wirkliches Erfolgsmodell vorleben können. Nachdem zum Beispiel der Papa seinen drei entgeisterten Kids verkündet hat, dass er und Mama eigentlich nie ein Paar waren und nur den Kindern zuliebe zusammen gelebt haben, überrascht er seinen sprachlosen Sohn mit einem tiefsinnigen Gleichnis, worin er das Leben mit einer angerosteten, schwer handhabbaren Maschine vergleicht, für die auch die Eltern keine Gebrauchsanweisung haben, weswegen sie letztlich genauso hilflos sind wie die Nachkömmlinge, die doch so gern von ihnen lernen würden. So weiß man am Schluss nicht, was schlimmer ist: Die Eltern, die da sind, oder die, nicht eben nicht da sind, die zwanzig Jahre lang vermisst, gesucht wurden.

 

   So kommt es immer wieder zu absurden, grotesken und erschütternden Szenen – erschütternd komisch zumeist, doch manchmal, vor allem im letzten Drittel, auch mit ernsteren, melancholischeren Tönen. Das ist überhaupt das Tolle an diesem Film, dass er, total untypisch für teutonisches Filmwerk, leicht und schwer zugleich sein kann, ohne dass das Leichte seicht und das Schwere pathetisch wird. Ein von liebevoller Sympathie und totaler Solidarität begleitetes Generationsporträt, mal turbulent, mal auch ein bisschen albern, mal atemberaubend treffsicher und genau, manchmal nur gutgelaunt, und manchmal verbirgt sich hinter der guten Laune auch eine gute Portion Angst – wie bei uns allen. Gefühlvolle musikalische Montagen wechseln sich ab mit satirischen Szeneimpressionen und sehr lebensnahen Familienaufstellungen. Das großartige Ensemble hält alles zusammen und sorgt für zahlreiche Highlights, Buch und Regie sind nah dran und immer mittendrin, verlieren aber trotzdem nicht den Blick für die Verhältnisse. Ein Film, der amüsiert und bewegt, weit mehr als Gutelaunekino, aber eben auch das. Die Deutschen können es also auch - jetzt heißt es nur, die Saat zu ernten... (8.10.)