Argo von Ben Affleck. USA, 2012. Ben Affleck, Bryan Cranston, Taylor Schilling, Kyle Chandler, John Goodman, Alan Arkin, Tate Donovan, Clea DuVall, Kerry Bishé, Victor Garber

   Selbst der tollkühnste Seemannsgarnspinner müsste schon noch ein paar kurze Klare kippen, um genug Chuzpe für solch eine Story zusammen zu kratzen. Sechs US-amerikanische Botschaftsangehörige werden anno 1980 aus den Fängen der revolutionären Ayatollah-Schergen befreit und zwar vermittels eines tollkühnen, vom CIA und der kanadischen Regierung gemeinsam durchgeführten Plans: Getarnt als Filmteam auf Motivsuche in Teheran für einen billigen Fantasystreifen namens „Argo“ werden die sechs von Tony Mendez, einem CIA-Befreiungsexperten aus der kanadischen Botschaft, durch die vom aufgeheizten Mob bevölkerte Stadt und zum Flughafen geschleust, wo die größte Prüfung auf die wartet, die endlose, schikanöse Mehrfachkontrolle durch Soldaten der Revolution. In einem haarsträubenden Drahtseilakt gelingt es den sieben Amerikanern, die Maschine der Swissair zu besteigen, die ihrerseits gerade noch vom Boden hochkommt, bevor die Verfolger sie doch noch zum Anhaltern zwingen können. Die über 50 Menschen, die als Geiseln in der US-Botschaft gefangen gehalten werden, mussten bekanntlich noch fast ein Jahr länger ausharren.

   Nur am Schluss, als die geglückte Aktion ungefähr so gefeiert wird wie einst die Mondlandung, schleicht sich doch noch ein gewisser patriotischer Unterton in den Film, der sich ansonsten damit sehr zurückhält – zu meiner größten Erleichterung, denn den typischen Hollywoodpatriotismus habe ich immer als extrem widerlich und schmierig empfunden. Affleck kontert ihn zudem mit einer comicartig montierten, rasanten Eingangssequenz, die mal eben auf die Schnelle umreißt, was es mit dem US-Engagement in Persien überhaupt auf sich hat und weshalb besonders die Amis sich den Zorn der „heiligen Krieger“ zugezogen haben. Das von den USA installierte und ständig gestützte Terrorregime des Schah hat im Land schrecklich gewütet, das große Problem aber war, dass man unglückseligerweise die eine Diktatur durch eine andere abgelöst hat, und von welcher Seite ein Land unterdrückt und tyrannisiert wird, ist dann letztlich egal. Die Brutalität des Schahs war verheerend – die Brutalität Khomeinis war es aber eben auch, und das wird in „Argo“ klar und deutlich zum Ausdruck gebracht. Das Versprechen von Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung wurde zunichte gemacht von religiösen Fanatikern, die alle Andersdenkenden und vermeintliche Feinde verfolgten und vernichteten. Diese äußerst bittere Geschichte wird in wenigen Minuten ruckzuck abgehandelt, aber immerhin so, dass nicht der Eindruck aufkommt, Affleck stelle sich auf die Seiten der USA, und auch später fallen im Nebensatz immer wieder spitze und sarkastische Bemerkungen über die Konsequenzen, die man nun zu ertragen habe, weil man einem todkranken Diktator Asyl gewährt habe und ihn nun nicht ausliefern wolle. Einmal mehr schwappen die schmutzigen Kriege der CIA bis nach Hause und gefährden das Leben jener, die noch vor Ort sind und aus Naivität nicht rechtzeitig außer Landes gebracht wurden. Dementsprechend tritt Mendez auch nicht als großkotziger Sprücheklopfer auf, sondern als ein fast introvertierter, zurückhaltender Typ, und schon in diesem Verzicht auf die übliche ätzende Yankee-Attitüde setzt Affleck ein klares Zeichen. Seine Helfer in Hollywood sind zwei ziemlich schräge, abgewrackte alte Knacker (von Goodman und Arkin mit sichtlichem Spaß an der Freud chargiert) und die Herren in Washington wirken eher unentschlossen und hilflos, und leider wird der von Präsident Carter lancierte und kläglich gescheiterte Befreiungsversuch in Teheran nur nebenbei erwähnt. Indem sich die Handlung mehr und mehr auf Teheran konzentriert, wird der Ton des Films dichter, ernster, die Spannung stetig bis hin zu der irrwitzig brillant montierten Sequenz (auf die Hitchcock sehr stolz wäre!), in der Mendez seinen Plan gegen die Zweifel und Ängste seiner Gruppe durchzieht und die Iraner Verdacht schöpfen und der Identität der fehlenden sechs Botschaftsmitglieder immer näher kommen. Höhepunkt ist die atemberaubend spannende Flughafenszene, ein Wettlauf mit der Zeit, den man so nervenaufreibend selten oder noch nie gesehen hat. Dabei kann Affleck durchgehend auf Gewalt- oder Effektexplosionen verzichten ohne an Wirkung zu verlieren. Im Gegenteil, durch seine vermeintlich einfache, unspektakuläre Erzählung erzielt Affleck, der als Regisseur und auch Darsteller noch nie so gut war wie hier, einen starken Kontrast zu dem extrem dramatischen Geschehen und dem ebenso dramatischen politischen Hintergrund.

   Grundsätzlich wäre mir ein krass polemischer Film über die dreckigen Machenschaften des CIA deutlich lieber, aber der wird mit den Amis wohl nie zu machen sein. So müssen wir also mit moderater Kritik vorlieb nehmen, aber wenn sie so gekonnt und vor allem mörderisch spannend verpackt wird wie hier, dann nehme ich sie gern. Dies ist erstklassiges Politkino über eine wahnwitzige Episode aus wahnwitziger Zeit. Von dieser Sorte wird es sicherlich noch einige geben, also: Mehr davon! (13.11.)