La nouvelle guerre des boutons (Der Krieg der Knöpfe) von Christophe Barratier. Frankreich, 2011. Jean Texier, Ilona Bachelier, Clément Godefroy, Thomas Goldberg, Louis Dussol, Guillaume Canet, Laetitia Casta, Kad Merad
Den Klassiker von Louis Pergaud habe ich als Kind gern gelesen, auch wenn mir zwangsläufig die zeitgeschichtlichen und politischen Unterströmungen eines Romans aus dem Jahr 1912 verborgen geblieben sind. Yves Roberts Verfilmung von 1962 ist gleichfalls ein wunderbarer Klassiker, auch wenn er die Substanz des Romans sicherlich nicht vollständig erfasst, was vielleicht auch daran liegt, dass er die Geschichte kurzerhand in die aktuelle Zeit (also die frühen 60er) verlegt.
Christophe Barratier hat sich nun die Zeit des Zweiten Weltkriegs ausgesucht, die Besatzungszeit also, die Zeit der Vichyregierung, die Zeit der Milizen, der Résistance und der unterschiedlichen Formen von Kooperation. Die traditionelle Feindschaft der beiden Dörfer Longeverne und Velrans wird dadurch sozusagen ihrer Unschuld beraubt, erst recht, als ein fremdes Mädchen angeblich aus Rennes in Longeverne auftaucht, allen Jungs den Kopf verdreht, allen voran dem Anführer Lebrac, aber offenbar auch ein Geheimnis hat. Schnell ahnt man, worum es geht, schnell ahnt man auch, wie sich die Geschichte entwickeln wird, dass nämlich am Schluss die verfeindeten Gruppen wenigstens vorübergehend Frieden schließen, um sich dem wahren, dem gemeinsamen Feind entgegen zu stellen und das Mädchen in Sicherheit zu bringen.
All das wäre absolut akzeptabel, und die Idee, die Story in die 40er Jahre zu verlegen, finde ich ausgesprochen naheliegend und überzeugend. Für meinen Geschmack allerdings hat dieser Film schlicht und ergreifend den falschen Regisseur, einen Regisseur nämlich, den er nicht verdient hat. Zu keiner Zeit lässt sich Barratier wirklich ernsthaft auf die Personen ein, auf ihr Leben, ihre Zeit. Von Anfang bis zum Schluss inszeniert er nur Postkarten, Klischees, den Blick total auf Effekte und große Gefühle fixiert, sodass aus jedem tollen Landschaftsbild und aus jeder kitschigen Orchestermalerei das blanke Kalkül hervorschaut. Der liebevolle, freche Witz von Roberts Film fehlt hier total, die Geschichte der beiden Dörfer, die Tradition des Konflikts, den auch die Väter der Jungs noch leben, bleibt völlig unklar, das erfrischend anarchistische Motiv der nackt aus dem Wald hervorstürmenden Longeverner wird lachhaft prüde entschärft, sämtliche Personen werden schematisch, oberflächlich, stereotyp bezeichnet, und der volltönende Patriotismus, die Mär von der im aufrechten Widerstand zusammenrückenden Nation wirkt heutzutage befremdlich und anachronistisch, um es freundlich auszudrücken. Und wenn die Barratier schon einen dermaßen ernsten Hintergrund aussucht, dann muss er natürlich auch konsequent sein und Stil und Tonfall anpassen. Doch nein – er schwelgt in glühender Nostalgie und naiver Malerei und vernachlässigt nebenbei die Jungs und ihre Perspektive mit zunehmender Dauer fast völlig. Die sich anbahnende Liebe zwischen Lebrac und dem Mädchen gerät stark in den Vordergrund, die sich ebenfalls anbahnende Liebe zwischen dem Lehrer und der Ladenbesitzern auch, und schwupps ist die ganze schöne Geschichte futsch und es bleibt ein weitgehend unbefriedigendes hybrides Gebilde, das der Substanz von Pergauds Roman kaum noch gerecht wird, andererseits aber auch keinen wirklich ernstzunehmenden Beitrag zu Verfolgung, Naziterror oder Widerstand bietet. Da fallen mir auf Anhieb einige Filme ein, die die kindliche Perspektive und die große, grausame Politik sehr überzeugend zusammengebracht haben, Barratier jedoch bleibt bei pompöser, ärgerlicher Effekthascherei und hat jedenfalls meinen anfänglichen Wohlwollen schön langsam aber sicher in Ablehnung und Unmut verwandelt. Von diesem Mann lasse ich in Zukunft wohl besser die Finger... (25.4.)