En kongelig affære (Die Königin und der Leibarzt) von Nikolaj Arcel. Dänemark/Schweden, 2012. Alicia Wikander, Mads Mikkelsen, Mikkel Boe Følsgaard, Tryne Dyrholm, David Dencik, Cyron Bjørn Melville, Tomas W. Gabrielsson, Laura Bro
Eine historische Dreiecksgeschichte: Anno domini 1766 wird die erst fünfzehnjährige, aus englischem Adel stammende Caroline Mathilde von Hannover dem dänischen König Christian VII. zugeführt, um dem dänischen Hof endlich Nachkommen zu bescheren. Das junge Mädchen erkennt bald, in welch skurrile Szenerie sie eingeheiratet hat: Der König ist ein launischer, labiler, allgemein nicht für voll genommener Exzentriker, missachtet von der Stiefmutter, die lieber ihren leiblichen Sohn auf dem Thron sähe, zum Narren gehalten vom Rat, der Majestät lediglich zum Abzeichnen neuer Dekrete braucht und ihn sonst wenig mit Politik behelligt. Die Ehe ist lieblos und kalt, bringt aber immerhin rasch einen Thronfolger hervor, womit Carolines Arbeit schon getan wäre. In die ganze Sache kommt Bewegung, als der König auf einer Europareise erkrankt, und in Altona der Armenarzt Johann Struensee zum neuen Leibarzt auserkoren wird. Er wird recht bald engster Vertrauter Christians und beginnt, sich einzumischen, was in jeder Hinsicht zu Problemen führt: Er beginnt eine Liebesaffäre mit Caroline und wird mit ihr eine Tochter haben, und vor allem nimmt er massiv Einfluss auf die dänische Politik, und hier hört nun der Spaß auf, denn als überzeugter Verfechter der Ideen Voltaires und Rousseaus verfolgt er aufklärerische Ziele, will folglich dem bequemen Herrschen des Adels und der Kirche ein Ende bereiten. Seine Reformen sind einschneidend, von vornherein umstritten (Abschaffung der Leibeigenschaft, der Zensur und der Folter, Bau sozialer Einrichtungen für Waisen und Arme) und machen ihn bald zum Intimfeind der bösen Steifmama ebenso wie der hohen Adeligen und Geistlichen, die sämtlich um ihre angestammten Privilegien fürchten müssen. Gegen die mächtige Allianz haben Struensee und Caroline keine Chance, sie wird nach Celle verbannt, wo sie jung stirbt, ohne ihre beiden Kinder noch einmal gesehen zu haben, und er wird einen Kopf kürzer gemacht. Das alte Diktat wird ruckzuck restauriert, doch nicht für lang, denn Carolines Sohn kann mit Hilfe seines umnachteten Vaters die Macht an sich bringen und wird als Friedrich VI. Struensees Ansätze weiterführen und in ihrem Sinne regieren.
Ein richtig schön breiter Kostümfilm, der das Pulver bestimmt nicht neu erfindet und der sich alles in allem (leider) einer durch und durch konventionellen Bildersprache und Erzählweise befleißigt, der aber durchaus mit einigen Pfunden wuchern kann, die ihn doch recht sehenswert machen. Zum einen erzählt er eine wahre Geschichte, wie sie aufregender und dramatischer auch von Literatur und Film nicht hätte erfunden werden können, nämlich vom Bemühen, die Ideen der Aufklärung in einer Gesellschaft durchzusetzen, die massiv geprägt ist von der seit Jahrhunderten zementierten feudalen und klerikalen Ordnung und die sofort mit Intoleranz und Gewalt reagiert, sobald versucht wird, an eben dieser Ordnung zu rütteln. Der Film vertieft sich nicht gerade in Struensees Anschauungen und kommt über die Nennung einiger Namen und Artikel kaum hinaus, vermittelt aber dennoch eine Idee davon, wie ungeheuer revolutionär diese neue Philosophie im 18. Jahrhundert gewirkt haben muss und mit welchem Widerstand sie sich konfrontiert sah. Zum anderen erzählt der Film eine Liebesgeschichte, die doch einige schöne und intensive Szenen hat, mit Gefühl und Spannung geschildert und effektvoll gegen die vielschichtigen Hofintrigen platziert wird. Vor allem aber ist dies ein ganz exzellenter Schauspielerfilm, der wirklich das Maximum aus den Akteuren herausholt. Mikkel Boe Følsgaard ist stark als labiler König, mal tragischer Narr, mal kindlich-labile Marionette, eine Handvoll erstklassiger dänischer und schwedischer Akteure sorgt für eine substantielle Grundierung, aber besonders Alicia Wikander und Mads Mikkelsen sind grandios in ihren Szenen (den gemeinsamen wie auch allen anderen), natürlich viel zu modern für ihre Rollen, klar, aber ihnen gelingt es brillant, die Essenz der beiden Figuren in die heutige Zeit zu transportieren. Weniger charismatische Schauspieler hätten dem Film todsicher den Garaus gemacht, denn solch ein im Grunde eher altmodisches Machwerk braucht ein paar starke Protagonisten. Genau die hat „Die Königin und der Leibarzt“, und genau deshalb habe ich auch über zwei Stunden mit anhaltendem Interesse und anhaltender Gespanntheit zugesehen. Den Namen Lars von Triers im Abspann zu lesen, war zwar auf den ersten Blick ein wenig merkwürdig, aber vielleicht ist das seine Art, sich um die nationale Filmwirtschaft verdient zu machen, und ich denke, er hat sich hier einem lohnenswerten Projekt gewidmet. (16.5.)