The Hunger Games (Die Tribute von Panem) von Gary Ross. USA, 2012. Jennifer Lawrence, Josh Hutcherson, Amandla Stenberg, Woody Harrelson, Liam Hemsworth, Elizabeth Banks, Stanley Tucci, Donald Sutherland, Lenny Kravitz, Wes Bentley, Alexander Ludwig
Noch ‘ne Zukunftsvision: In einigen Jahren wird eine große Katastrophe die bestehende Ordnung hinweggerafft haben. An ihrer Stelle entsteht in Nordamerika der Staat Panem, bestehend aus dem Kapitol und 12 Distrikten, von denen jeder einen Beitrag zum Ganzen leistet. Es herrschen Hunger und Krisen, die Herrscher im Kapitol schwelgen im Überfluss, die Menschen an der Peripherie hingegen müssen um übereben zu können, Tauschgeschäfte machen. Ihr Name landet dann in einem großem Topf, aus dem die 24 Teilnehmer der alljährlich stattfindenden Hungerspiele ermittelt werden. Jeder Distrikt entsendet zwei „Tribute“ (oder auch Opfer), die in einem präparierten und vollständig von TV-Kameras observierten Gelände ums Überleben kämpfen. Dies dient einerseits zur Belustigung der Reichen aus dem Kapitol, die das Spektakel live verfolgen und bei Bedarf auch manipulierend eingreifen (denn die Quote bestimmt den Sieger), und andererseits dazu, die aufmüpfigen Randdistrikte in Ruhe und Demut zu halten. Die eigentliche Geschichte dreht sich um die junge Katniss aus Distrikt 12, die sich freiwillig meldet, um ihre kleine Schwester zu retten, und die gemeinsam mit Peeta aus ihrem Distrikt den Kampf mit den anderen Tributen aufnimmt – und die sehr zum Unwillen der Organisatoren durchsetzt, dass zum ersten Mal zwei Tribute die Spiele überleben.
Plagiat hin oder her – die Idee an sich ist schon genial, eine zumindest potentiell ins Herz der modernen Vergnügungsgesellschaft zielende Satire, die den Wahlspruch Neil Postmans ganz wörtlich nimmt (von wegen „Wir amüsieren uns zu Tode“) und darüber hinaus Versatzstücke aus dem alten Rom, (Brot und Spiele), George Orwell und den unsäglichen sogenannten „Reality-TV-Shows“ zu einem wirklich spannenden und griffigen Stück Unterhaltungskino verarbeitet. Und genau hier muss man den Film – und wohl auch die Romantrilogie – verorten, an diesen Kriterien sollte man sie messen und an keinen anderen. Dies ist Hollywood, dies ist Mainstream, das ist Kino für die breiten Massen, vorzugsweise die jüngeren, also muss Fantasy drin vorkommen und eine Liebesgeschichte und jede Menge großes Gefühl, und all das kommt natürlich auch drin vor. Fraglos hätte die Geschichte (nicht der Roman!) einen deutlich schärferen, komplexeren, brisanteren Film ergeben können, fraglos leidet dieser Film unter seiner grundsätzlich sehr kommerziellen Ausrichtung und sehr vielen Kürzungen und Unklarheiten in Bezug auf den Hintergrund, den die Autorin der Story erdacht hat und der im Film auf ganz wenige kaum verständliche Andeutungen und Fragmente heruntergebrochen wurde. Zu wenig jedenfalls, um eine in sich geschlossene und vollständige Vision abzugeben, zu wenig auch, um ein klares Bild des Zukunftsstaates Panem zu liefern. Der Fokus liegt auf den Spielen selbst, auf dem Überlebenskampf und immerhin auch noch auf dem widerwärtig kalkulierten und obszönen Medienrummel, der um die mörderischen Kämpfe herum veranstaltet wird. Hier gelingen einige sehr starke und nachhaltig wirkende Szenen, die den Film dann doch deutlich abheben vom üblichen Fantasy-Einerlei und die dafür gesorgt haben, dass ich fast zweieinhalb Stunden lang ziemlich gespannt zugesehen habe. Nicht die jugendlichen Hauptfiguren sind interessant – obwohl Jennifer Lawrence eine fabelhaft starke und präsente Katniss ist -, sondern die monströs schillernden Sidekicks: Stanley Tuccis Zeremonienmeister beispielsweise, die brillante Karikatur des modernen Talkmasters, ein vulgärer Voyeur, ein Parasit, ein Blutsauger, der den zum Tode verurteilen Teenies gierig ihre Emotionen aussaugt und sie den Massen zu Fraß hinwirft, ein Dirigent der öffentlichen Meinung, ein Manipulator der öffentlichen Reaktion. Oder Elizabeth Banks’ Effie, die die Tribute für den 12. Distrikt rekrutiert hat und nun mit allen Mitteln dafür sorgen will, dass die beiden den Distrikt „würdig“ repräsentieren. Oder Donald Sutherlands dämonisch unterkühlter Präsident, der als gütiger Pappi mit Rauschebart auftritt und hinter der Maske einen eiskalten, rücksichtslosen, faschistoiden Herrscher verbirgt. Die Darsteller sind erstklassig, gestalten ihre knappen Szenen mit maximaler Effizienz und sorgen für einige ebenso einprägsame wie bissige Kommentare zur Medienwelt, die ja mittlerweile längst schon davon lebt, jedwede Privatheit, und sei sie noch so banal und grell, an die Öffentlichkeit zu zerren und damit Quote zu machen. Die Hungerspiele scheinen fast wie eine logische, auf die Spitze getriebene Endstufe einer Entwicklung, die aktuell noch in vollem Gange ist und vorerst keine Grenzen zu kennen scheint. Die Hungerspiele haben durchaus eine politische Komponente, bilden sie doch eine anschauliche und starke Metapher für Klassenunterschiede, Ausbeutung und Totalitarismus. Wie gesagt, all dies lässt sich in den Film hineindenken, all dies mag im Ansatz auch vorhanden sein und all dies macht seine Substanz aus, viel eher als das ganze Actiongetümmel, das zugegeben sehr effektvoll und hochspannend inszeniert und choreographiert wurde. Insgesamt ein Film, der packendes Entertainment mit ein bisschen Tiefgang verbindet und seine Sache im gesteckten Rahmen wirklich gut macht. Ob das für drei Folgen reichen wird, weiß ich nicht, für dieses eine Mal aber empfand ich die Mischung aus Teeniehorrordrama und dunkler Post-Apokalypse als recht anregend und mitreißend.