Die Vermessung der Welt von Detlev Buck. BRD/Österreich, 2012. Florian David Fitz, Albrecht Schuch, Vicky Krieps, Jérémy Kapone, Katharina Thalbach, David Kross, Michael Maertens, Karl Markovics
Zu Daniel Kehlmanns vielgepriesenem Roman habe ich nie so recht Zugang gefunden – weder die Entdeckungen Alexander von Humboldts noch das mathematische Genie Carl Friedrich Gauß hatten mich je wirklich interessiert, obwohl ja zumindest von Humboldts Biografie Stoff für allerhand zünftige Kabinettstückchen abgibt. Kehlmann liefert davon allerhand, geht aber immerhin auch etwas in die Tiefe und versucht, der besonderen Freundschaft dieser beiden extrem unterschiedlichen Herren auf die (fiktive und zudem satirisch überspitzte) Spur zu kommen. Jetzt hat er am Drehbuch zu Bucks Verfilmung mitgeschrieben, also kann niemand meckern, denn er selbst hatte es zumindest teilweise in der Hand. Erstaunlicher, und leider viel weniger spürbar, empfinde ich die Mitwirkung Daniel Nockes, der besonders für Stefan Krohmer einige brillante Drehbücher verfasste, und dessen Stärken hier so gut wie überhaupt nicht spürbar sind – der zu einem Projekt wie diesem eigentlich auch gar nicht passt. Dies ist nämlich nichts weiter als ein bunter, groß und breit angelegter Abenteuerfilm mit hübschen Schauwerten, viel Humor und allen Zutaten des Genres. Üppige Kostüme, exotische Schauplätze, nett überzogene Ekligkeiten, ein bisschen Erotik und zwei skurrile Protagonisten, die zwei Prototypen des klassischen Gelehrten abgeben. Der eine ein Eigenbrötler, überzeugter Theoretiker, Stubenhocker und Tüftler, der andere ein flamboyanter Mann von Welt, dabei ganz und gar Preuße (sprich Stock im Hintern), aber getrieben von unbändiger Neugier und der unverbesserlichen Neigung, jedwede Erfahrung möglichst am eigenen Leibe zu praktizieren. Jeder für sich ein Pionier, ein genialer Forscher und Wissenschaftler, beide tätig vor allem im frühen 19. Jahrhundert, voll im Feudalismus verankert, zum Teil geprägt von den napoleonischen Kriegen und am Ende ihres Lebens berührt von der aufkommenden Revolution gegen die alte Ordnung (Stichwort 1848). Kehlmanns Roman wird mit zunehmender Dauer unverständlicherweise immer flüchtiger und sprunghafter, und Bucks Film erst recht, der interessiert sich eigentlich kaum für die epochalen Leistungen der beiden, und leider auch nicht für ihre spät entstandene Freundschaft, der spinnt einfach ein zünftiges Garn.
Und das tut er kompetent, sehr unterhaltsam und kurzweilig, mit gutem Gefühl für ein paar witzige Momente und für die optischen Schauwerte, die sich natürlich hauptsächlich durch von Humboldts famose Reisen durch einen gänzlich wilden und damals fremden Kontinent ergeben. Das zwischenmenschliche Feintuning, für das Daniel Nocke möglicherweise hätte zuständig sein können, kommt deutlich zu kurz, zu unbekümmert springt die Erzählung zwischen Göttingen und Südamerika hin und her, und gerade wenn sich beispielsweise mal ein bisschen was tut im Privatleben vom Herrn Gauß und man dabei auch ganz gern zugeschaut hätte, hüpft das Buch schon wieder rüber über den Teich und mitten rein in eine gänzlich andere Szenerie, und umgekehrt läuft’s ungefähr auch so. Buck setzt seine Effekte durchaus gekonnt und nicht zu platt ein (es gibt ja sogar eine 3-D-Version!), der Film ist in jeder Hinsicht angenehm professionell und ausgezeichnet gespielt, nur ergeben sich zwischendurch immer wieder Momente, die gut und gern hätten vertieft und ausgeführt werden können. Wer so was erwartet hatte, wird sicherlich enttäuscht sein, wie die Freunde des Romans reagieren, kann ich nicht so recht beurteilen, da ich nicht zu ihnen gehöre, wer aber mal einen richtigen Breitwandfilm aus deutschen Landen sehen möchte, der könnte hier ganz gut aufgehoben sein, denn gut unterhalten tut Buck in jedem Fall. (7.11.)