In the land of blood and honey von Angelina Jolie. USA, 2011. Zana Marjanović, Goran Kostić, Rade Šerbedžija, Vanessa Glodjo, Nikola Đuričko, Branko Đurić, Alma Terzic, Jelena Jovanova

   Klar, dass es dieser Film niemandem recht machen konnte: Inszeniert und geschrieben von einer Ikone der Glamour- und Paparazziszene, die ihre Kohle bislang mit wenigen Ausnahmen in seichtem Mainstreamscheiß verdient hat, und die folglich nicht als ernsthafte Filmemacherin durchgehen kann. Und dann auch noch ein Thema, das man entweder aus gutem Grund ignorieren würde, oder das auf jeden Fall das große Rudel der Klugscheißer auf den Plan ruft, die alle ganz genau wissen, wie man den einzig richtigen Film über den Bosnienkrieg aus den 90ern drehen muss. Nur: Komischerweise hat noch keiner von ihnen diesen Film gemacht, und komischerweise ist ausgerechnet Jolie die erste aus dem kommerziellen Establishment, nachdem es zuvor höchstens ambitionierte, aber wenig verbreitete TV-Produktionen oder noch seltener gesehene Filme aus der Region selbst gegeben hat. Abgesehen also von jeglicher Diskussion über die Qualitäten dieses Films an sich muss meiner Meinung nach positiv hervorgehoben werden, dass es ihn überhaupt gibt und dass Jolie ihr Prestige in die Waagschale geworfen hat für ein sehr deutliches politisches und humanistisches Statement.

   Klar auch, dass man geteilter Meinung über Jolies Fähigkeiten als Regisseurin sein kann – nicht selten holpert die Dramaturgie, die Geschichte wird über den Zeitraum von 1992 bis 95 recht lückenhaft und wenig stringent entwickelt, die verschiedenen beteiligten Personen werden ebenso lückenhaft mitgenommen, und was die zentrale Liebesgeschichte zwischen der Muslima Ajla und dem Serben Danijel angeht, gäbe hinsichtlich der hier dargestellten Entwicklung sicherlich Diskussionsbedarf. Hier liegt andererseits aber auch eine teilweise ganz interessante Vieldeutigkeit, denn zwischen den beiden gibt’s ja nicht das Liebesverhältnis, sondern angesichts der Umstände ist dies auch ein Verhältnis zwischen Täter und Opfer, in dem sich Ajla vor allem irgendwie einrichten muss, und dies auch tut, solange jedenfalls, bis sie sich letztlich für ihre eigenen Leute und gegen Danijel entscheidet und prompt mit dem Leben bezahlt.

   Vor allem aber bezieht der Film seine Wirkung aus der Darstellung des Krieges, dessen, was Menschen anderen Menschen antun können, was der Krieg mit den Menschen anrichtet und wie sich ein jahrhundertealter ethnischer Konflikt verselbständigt und schließlich in rasende Gewalt mündet. Jolie fährt, was eben diese Gewalttaten angeht, härteste Geschütze auf, aber wie zum Teufel sollte man diese Ereignisse auch verharmlosen bzw. so zeigen, dass sie dem Konsumenten nicht quer runtergehen und bleischwer im Magen liegen? Massenvergewaltigungen, schrecklichste Bluttaten und die sogenannten „ethnischen Säuberungen“ (mindestens das Unwort des Jahrzehnts damals) machen sprach- und hilflos, und nichts anderes wird hier zum Ausdruck gebracht. Wenn dem Film vorgeworfen wird, er kümmere sich nicht ausreichend um die Ursachen für die Gewalt, ist das ebenfalls am Thema vorbei, denn keine Ursache dieser Welt könnte derartige Exzesse rechtfertigen, diese Art von wahnsinnigem Hass und Fanatismus ist rational nicht verständlich. Jolie schlägt sich immer wieder auf die Seite der Frauen, der reinen Opfer also, erlebt das Wüten der serbischen Milizen aus ihrer Perspektive und verdeutlicht, dass systematische Erniedrigung und Misshandlung der Frauen kalkuliert als Kriegsstrategie eingesetzt wurden, ein bodenlos zynischer und ebenfalls durch nichts zu erklärender Akt der Unmenschlichkeit, dem hier in schwer erträglichen Bildern ordentlich Rechnung getragen wird. Und noch etwas wird hervorgehoben, weniger explizit in Wort und Bild, doch schwingt es in fast jeder Kriegssequenz in unseren Gedanken mit: Wie um alles in der Welt konnte es zugehen, dass mitten unter den sogenannten zivilisierten freien Staaten des freien westlichen Hemisphäre ein solches Morden und Schlachten jahrelang vonstatten ging, ohne dass sich die internatonale Staatengemeinschaft zum energischen Eingreifen entschließen konnte? Die Serben wussten es und die Bosnier wussten es auch – es gab einfach zu wenig dort, das den Einsatz gelohnt hätte. Wiederholte Schreckensmeldungen von KZ-artigen Lagern oder den bewussten „ethnischen Säuberungen“ reichten lange Zeit nicht aus, um die Oberhäupter aus ihrer Gleichgültigkeit zu reißen, zu lange wurden lediglich die Toten gezählt und das Massaker bürokratisch verwaltet. Ein Vorgang, der ebenso unbegreiflich und skandalös ist wie die Krieg selbst, denn er hat letztlich den unsäglichen Bluttaten Vorschub geleistet.

 

   Dies ist weiß Gott kein großes Meisterwerk und weiß Gott kein makelloser Film, er lässt an vielen Stellen zu wünschen übrig, aber er ist in seiner Funktion und Aussage dennoch wichtig, und ich finde ihn längst nicht so misslungen, dass er der Sache eher schaden könnte als ihr zu nutzen. Es ist eine Hommage an die Opfer und eine Mahnung, etwas ähnliches nicht noch einmal teilnahmslos zuzulassen und erst aktiv zu werden, als bereits zigtausend Opfer gezählt werden. Jolie hat den Film offenbar bewusst ohne westliche Stars gedreht und sich um größtmögliche Authentizität bemüht, und wenn wie gesagt nicht alles gleich gut gelungen sein mag, so finde ich die grundlegende Äußerung, die dieser Film macht, auf jeden Fall sehr gut und sehr richtig. (27.2.)