Kriegerin von David Wnendt. BRD, 2011. Alina Levshin, Jella Haase, Sayed Ahmad Wasil Mrowat, Lucas Steltner, Gerdy Zint, Sven Splettstößer, Elias Raudith, Winnie Böwe, Rosa Enskat
Wie sagt man so schön – der rechte Film zur rechten Zeit (diesmal sogar ganz wörtlich zu verstehen, höhö). Gerade haben Öffentlichkeit und Justiz empört und erschrocken zur Kenntnis nehmen müssen, dass es doch tatsächlich noch immer so etwas wie Gewalt von rechts in diesem schönen Lande gibt, da kommt die „Kriegerin“ und stößt uns mit der Nase mitten in den braunen Dreck.
Willkommen in Dunkeldeutschland – und auch das ist absolut wörtlich zu verstehen, und obwohl an sich vielleicht ein Klischee, in diesem Zusammenhang dennoch völlig überzeugend. Marisa ist Teil einer Naziclique, die alles terrorisiert, was ihr vor die Flinte kommt. Sie weigert sich, Ausländer an der Supermarktkasse zu bedienen, zeigt triumphierend den Hitlergruß in der S-Bahn und ist auch in Sachen Gewaltanwendung alles andere als zimperlich. Als ihr Kumpel Markus für längere Zeit in den Knast muss, beginnen die Dinge für sie ins Rutschen zu geraten – sie trifft auf Rasul, einen Flüchtlingsjungen aus Afghanistan, den sie erst mit dem Auto in den Straßengraben fegt, dem sie aber später hilft, zunächst total widerwillig, doch dann aufgrund seiner beharrlichen Hartnäckigkeit überzeugt. Zugleich stößt die deutlich jüngere Svenja zur Gruppe, ein Mädchen aus sogenanntem „guten Hause“, die einfach nur Freunde und einen Kick sucht und sich immer tiefer in den Sumpf hineinziehen lässt, während sich Marisa umgekehrt mehr und mehr von der braunen Horde distanziert. Sie verhilft Rasul schließlich zur Flucht nach Schweden, wo der Rest seiner Familie wohnt, wird aber am Strand von Prora von ihrer Vergangenheit eingeholt.
Der ernüchternde Schluss ist durchaus nötig, um die Geschichte wieder auf Kurs zu bringen, denn entgegen seiner eigenen Aussage auf der Website finde ich durchaus, dass David Wnendt einen pädagogischen Anspruch formuliert, indem er eine junge Frau zeigt, die sich aus dem Milieu des Rechtsradikalismus zu lösen versucht und daran scheitert. Er zieht eine Parallele zwischen Marisa und Svenja und führt beider Geschichte aufs Elternhaus zurück. Svenja lebt dort mit einem tyrannischen Vater, der sie mehr oder weniger einsperrt, während die Mutter nur heimlich imstande ist, hier und da ein Gegengewicht zu bilden. Marisa lebt allein mit ihrer Mutter in einer kalten, lieblosen Gemeinschaft, und hängt am meisten an ihrem Großvater, einem alten Soldaten und Nazi, der ihr die Kriegermentalität einbläute, aber auch, dass man für all seine Missetaten einstehen und bezahlen müsse. Beide suchen in der Gemeinschaft etwas, das sie zuhause nicht bekommen, beide erfüllen also das klassische Muster für die Rekrutierung von Nachwuchs, und darin liegt meiner Meinung nach schon eine deutlich pädagogische Haltung. Das macht aber gar nichts, denn erstens habe ich persönlich nicht mal was dagegen und fühle mich auch nicht gleich bevormundet, wenn ein Regisseur eine klare Haltung hat oder uns die Welt aus seiner Sicht erklären will (denn ich muss ihm ja nicht zustimmen), und zweitens ist der Film im ganzen äußerst eindrucksvoll und hervorragend gelungen, sodass ich ihm den sprichwörtlichen Zeigefinger zu keiner Zeit übel genommen habe. Mensch und Milieu werden hier so authentisch und überzeugend porträtiert wie schon lang nicht mehr im deutschen Film, man kann die Tristesse zwischen Platte und renaturierten Abraumgebieten förmlich spüren, und man kann, wenn auch widerwillig, den tückisch lockenden Reiz der braunen Kumpanei zwischen grölendem Besäufnis, Badesee und Türkenklatschen durchaus verstehen. Auch in Marisas allmählicher Wandlung liegt ein deutlich pädagogischer Impetus – sehen wir sie am Anfang noch berauscht von der Macht, die die brutale Truppe ausstrahlt und allzeit bereit zur Gewalt, erleben wir im weiteren Verlauf, wie diese Gewalt sie auch abstößt und erschreckt, weil es jeden trifft und weil es gar keinen Ausweg zu geben scheint. Die Treffen der Neonazigang in irgendwelchen Wohnungen sind nichts weiter als ordinäre, dumpfe Sauforgien, angefeuert von einem älteren, offenbar österreichischen Demagogen, der sich seiner Gefolgschaft versichert durch das Dreschen obszön schlichter faschistischer Phrasen. Na klar, Dummheit und Naivität waren schon immer ein erstklassiger Nährboden für rechtes Saatgut. Mädchen sind hier eher selten, werden wohl auch nicht wirklich ernst genommen, doch ein paar finden schon den Weg in solche Gruppen. Sowohl Marisa als auch Svenja sind ziemlich einsam, und möglicherweise sieht Marisa, wie sich in dem jüngeren Mädchen ihre eigene Geschichte wiederholt, weshalb sie versucht, auch Svenja am Ende rauszuholen aus dem Sumpf, auch wenn sie ihr gleich klarmacht, dass mit fünfzehn eine endgültige Flucht noch nicht geht. Und auch sie schafft es nicht, womit sich wieder der Kreis schließt und der fatalistische Glaubenssatz ihres Opas zum Tragen kommt, nach dem eine jeder kriegt, was er verdient.
Alina Levshin bietet eine grandiose Vorstellung als Marisa, zeigt ganz unspektakulär und natürlich all ihre Facetten zwischen Wut, Aggression, Verletzlichkeit und Angst. Man glaubt ihr die Begeisterung für den Naziterror ebenso wie ihre Wandlung, ihr Umdenken. Jella Haase ist ähnlich überzeugend als Teenager zwischen Leere, Langeweile und der Suche nach Freundschaft und irgendeinem Sinn. Dass sie den erstbesten für sich annimmt, ohne wirklich darüber nachzudenken, passt absolut und weist sicherlich auch darauf hin, auf welchen Wegen die Neonazis immer wieder neue Mitglieder zu sich heranziehen können.
Ein intensives, spannendes und ganz schnörkelloses Milieudrama aus der Provinz, kraftvoll inszeniert, toll gespielt, und sicherlich kommt solch ein Film auch ohne aktuellen Anlass immer zur richtigen Zeit, denn irgendwie ist man in Teutschland nach wie vor auf einem Auge blind. (26.1.)