Moonrise Kingdom von Wes Anderson. USA, 2011. Jared Gilman, Kara Hayward, Edward Norton, Bruce Willis, Frances McDormand, Bill Murray, Tilda Swinton, Harvey Keitel, Jason Schwartzman
Wes Andersons Filme, jedenfalls diejenigen, die ich bisher gesehen habe, führen in ein ziemlich sonderbares und zugleich doch, wie ich finde, typisch amerikanisches Universum, ein Universum der Sonderlinge, der Nerds, der Freaks, der Außenseiter, alles ziemlich schräg, dabei aber immer äußerst friedvoll und liebenswert – filmgewordene Hippiefantasien, möchte man manchmal denken, und auch „Moonrise Kingdom“ macht da keine Ausnahme.
Diesmal geht’s zurück in die 60er auf ein entlegenes Eiland vor der Küste Neuenglands. Dort verlieben sich Sam und Suzy, beide 12, und wollen zusammen durchbrennen. Sam ist Pfadfinder und haut aus dem Lager ab, Suzy entwischt ihrer neurotischen Anwaltsfamilie, doch die beiden kommen nicht weit, denn alsbald werden sie von ihren zahlreichen Verfolgern gestellt. Wie das Ganze letztlich doch noch in ein hoffnungsvolles Ende mündet, sollte man nicht lesen, sondern unbedingt sehen.
Genau so isses – dieser Film ist so randvoll mit großen und kleinen Skurrilitäten und bizarren Momenten, dass man sich als Zuschauer regelrecht anstrengen muss, um ja alles mitzukriegen, und dass es erst recht keinen Sinn machen würde, irgendein Detail herauszugreifen. Wes Anderson nimmt eine Liebesgeschichte unter Pubertierenden zum Ausgangspunkt einer äußerst schrägen Verfolgungsodyssee durch die ländlichen USA in den Sechzigern, wobei gerade jene gar nicht so zum Zuge kommen, wie man erwarten konnte, denn hier ist von Sex & Drugs keine Rede, jedenfalls nicht im Sinne einer großen Befreiung, die ja zu jener Zeit angeblich über das and schwappte, sondern höchstens im Sinne eines verklemmten Ehebruchs mit dem Local Sheriff oder erster schüchterner Technikversuche der beiden Flüchtigen (Stichworte wären hier Zungenküsse und voraussichtlich noch wachsende Brüste...). Abgesehen davon ist die Erwachsenenmeute, die den romantisch Verliebten auf den Fersen ist, mindestens so abgedreht wie die Kids (er mit Kastenbrille und Bärenmütze, sie mit wildem Mädchenblick und gefürchteten Wutattacken), jeder hat seine kleine Privatmacke, und natürlich gibt’s jede Menge Spaß auf Kosten der braven Pfadfinder, die in Gestalt Edward Nortons ein ums andere Mal ziemlich blöd aussehen.
Doch das ist wohlgemerkt nur ein Aspekt eines Films, der irgendwie aus der Zeit fällt, und der schon deswegen höchst treffend im Jahre 1965 angesiedelt ist. Der sein ganz eigenes Vokabular pflegt und sich null um Trends oder kommerzielle Notwendigkeiten kümmert, der vor purer Freude an Albernheiten und deftigem Slapstick ebenso wenig zurückschreckt ( man denke an das Finale auf dem Kirchendach...) wie vor höherem Blödsinn, der seine hoffnungslos verwirrten Figuren mit liebevoller Solidarität behandelt (und sie vielleicht auch deshalb von sehr illustren Stars darstellen lässt) und der die Möglichkeiten des Mediums weitaus umfassender nutzt als die allermeisten x-beliebigen 08/15-Komödchen von drüben. Der Humor ist infolgedessen auch nicht gerade zum Schenkelschlagen geeignet, eher was für die vergnügten Genießer, und wie es aussieht, wird diesem Film eine treue Kultgemeinde sicher sein – das Kino war jedenfalls voll mit Leute, die wild entschlossen waren, über jede Szene euphorisch zu kichern. Was ja manchmal auch etwas anstrengend sein kann, zumal wenn man direkt neben solch einem Nerd sitzen muss... (8.6.)