Savages von Oliver Stone. USA, 2012. Taylor Kitsch, Aaron Taylor-Johnson, Blake Lively, Benicio del Toro, Salma Hayek, John Travolta Demián Bichir, Joaquín Cosio, Emile Hirsch

   Irgendeine Botschaft hat der Meister Stone bekanntlich immer zu verkünden - welche isses diesmal? Wie wär’s mit „Die Welt ist ein Sumpf, alle Menschen sind korrupt, alle denken nur an Macht und Profit, und dazu ist ihnen jedes Mittel recht“? Klingt doch gut, und hat zudem den Vorteil, dass man zur Demonstration so richtig in die Vollen gehen kann, und da wäre Meister Stone ja wieder in seinem Element.

   Man nehme also zwei kalifornische Surferboys (einen traumatisierten Afghanistanveteranen und einen verspäteten Hippie), lasse sie das beste Marihuana weit und breit anbauen und dadurch ins Visier konkurrierender mexikanischer Drogenkartelle geraten. Dann geben man noch einen korrupten lokalen Bullen dazu, der alle Parteien gegeneinander ausspielt, einen besonders hemmungslos sadistischen Killer, der bei Bedarf auch die Seiten wechselt und ein blondes Surfergirl, mit dem die beiden Boys vögeln und auch sonst viel Spaß haben, bis die Lady in die Hände des Kartells einer bösen Mexikanerin fällt, und der Spaß ein abruptes Ende findet. Stone posiert mal wieder als grimmiger, böser alter Mann und bietet uns zwei Schlussvarianten an: Die eine, die pessimistische, ist ein einziges Massaker, in dem kaum jemand lebend davonkommt, die andere, die optimistische, lässt unsere drei jungen, unbeschwerten Helden entwischen und in einem exotischen Paradies Zuflucht finden, wo sie sich fortan voll und ganz dem dolce vita widmen können. Vielleicht denkt Stone ja, dies sei ein besonders gerissener und fieser Trick, aber in Wirklichkeit war mir der Ausgang der Geschichte längst scheißegal, denn ich hätte sowieso nie im Leben für irgendeine der beteiligten Personen Partei ergreifen wollen.

 

   Die Grundannahme ist klar: Alle sind miese, käufliche, total degenerierte Subjekte, die unter den gegebenen Umständen wirklich alles tun würden, nirgendwo ein Hoffnungsschimmer in Sicht, Gewalt und Korruption, wohin man blickt. Südkalifornien und Mexiko sind geeignete Schauplätze für solch ein Erbauungsstück, und Stone ist der richtige Mann, um dem Projekt die nötige Wucht zu verleihen. Tatsächlich hat er in hundertdreißig wahrhaft schwindlerregenden Minuten wieder alles aufgefahren, was ihm an filmischen Mitteln zu Gebote steht. Furiose Schnittmontagen, reißerische Effekte, grelle Überzeichnungen, grimmigsten Sarkasmus, und natürlich soviel saftige Gewaltszenen, dass der Testosteronfraktion im Saal schon mal die Hose eng wird. Aus dem Roman von Don Winslow (dem Spezialisten für kultige Action im Surfermilieu) ist somit eine halsbrecherische Achterbahnfahrt geworden, die uns förmlich begräbt unter Lärm und Reizüberflutung, und wenigstens mich halbwegs betäubt zurück gelassen hat. Stone verwendet diese Überwältigungsstrategie bekanntlich fast immer, und in seinen besseren Filmen (davon gibt’s ja auch ein paar!) konnte ich ganz gut damit leben, weil halt das Thema interessant war. Dies ist keiner seiner besseren Filme, weil das Thema viel zu sehr an Tarantino erinnert und mich nicht die Bohne interessiert, solange es nicht ernsthaft angegangen wird. Die Moral von der Geschichte ist altbacken und hinlänglich geläufig, die ständige Zurschaustellung cooler Blutvergießerei fand ich schon immer zum Kotzen, und so bleibt einzig der Spaß an ein paar genüsslich hingesemmelten Karikaturen (namentlich durch die Herren del Toro und Travolta) und einigen kühnen Bildkompositionen, die die Schauplätze immerhin angemessen spektakulär aussehen lassen. Del Toros Mitwirkung erinnert übrigens an Soderberghs „Traffic“, jenes Meisterstück, das sehr eindrucksvoll zeigt, was man dem Thema und dem Milieu abgewinnen kann, wenn man nicht ganz so selbstverliebt ist wie Meister Stone. Aber der kann eben nicht anders – immer Vollgas, auch wenn am Ende nur heiße Luft dabei rauskommt, so wie diesmal wieder. (28.10.)