The Artist von Michael Hazanavicius. Frankreich, 2011. Jean Dujardin, Bérénice Bejo, Penelope Ann Miller, James Cromwell, John Goodman
Eine Geschichte aus Hollywood: Anno 1927 isser noch der ganz große Star, eine Art Erroll Flynn der Stummfilmära, der George Valentin, bis ihm eines Tages die kecke Peppy Miller über den Weg stolpert und in seinem Fahrwasser ruckzuck den Weg nach ganz oben antritt, während er sich zwei Jahre später am Vorabend des großen Börsencrashs plötzlich aufs alte Eisen geworfen sieht, als der neue Tonfilm rauskommt und mit ihm das Verlangen nach neuen, jungen Gesichtern, so wie dem von Peppy eben. George hängt hartnäckig am alten Medium, ist zu stolz und stur, um sich anzupassen, sodass sein gründlicher Absturz unvermeidlich ist. Peppy, die ihm vieles zu verdanken hat, hilft aus schlechtem Gewissen im Verborgenen aus, rettet ihn im Augenblick größter Not, bringt ihn dazu, seinen Stolz zu besiegen, und gemeinsam starten sie zu Beginn der Dreißiger dann im Musical- und Tanzfilm als flink steppendes Traumpaar ganz neu durch.
Eine bis ins Detail liebevolle, sehr witzige und brillante Hommage an den Glamourfilm der sogenannten Goldenen Zwanziger, doch die eigentliche Attraktion ist nicht das Schwarzweiß und nicht der Stummfilm, die eigentliche Attraktion ist für mich die Einsicht, wie gut ein Film ganz ohne Dialog auskommen und dennoch die ganze Geschichte für jedermann verständlich erzählen kann. Für meinen Geschmack hätte man noch die Hälfte der ohnehin angenehm knapp eingestreuten Zwischentitel streichen können, denn die gesamte Substanz der Erzählung kommt auch so zur Geltung, ganz einfach durch die Bilder, die Montage, die Schauspieler. Obgleich der Film auf eine Art natürlich extrem gekünstelt und konstruiert ist – mit voller Absicht, versteht sich – ist er auf andere Weise zugleich eine Rückbesinnung auf die elementaren Bestandteile des Mediums, siehe oben. Ton kam erst nach einigen Jahrzehnten hinzu und hat natürlich noch mal eine enorme Entwicklung gezeitigt und neue Möglichkeiten eröffnet, doch wenn man’s mal genau nimmt, ist er am ehesten verzichtbar, wie man hier eindrucksvoll vorgeführt bekommt. Hazanavicius jongliert spielerisch mit den verschiedenen Klischees der Genres, nimmt sich klassische Melodramen ebenso vor wie Abenteuerschinken oder eben die knallbunten, weitgehend sinnfreien Tanzfilme, die in Hollywood stets besonders populär waren. Die Mär von Aufstieg und Untergang, und wie dicht beides beieinander liegt in der Stadt der Träume und Illusionen, der aufstrebenden Sternchen und gefallenen Engel, ist ebenfalls klassische Hollywoodkolportage und wird genüsslich bis zum Schluss durchdekliniert, wobei keine Stufe auf Valentins Weg nach unten ausgelassen wird, weder das eitle Sonnenbad auf dem Gipfelpunkt des Ruhms noch die ersten Irritationen über Peppys rasante Karriere und auch nicht das totale Desaster mit zunehmender Verarmung, Alkoholismus, Selbstzerstörung und schließlich knapp vereiteltem Suizid. Gut, dass es den kleinen Hund Jack gibt, der das Schlimmste verhindern kann, und gut, dass die smarte Peppy eben doch nicht so kaltschnäuzig ist und ihr Herz treu für den abgehalfterten Charmeur schlägt, den sie schließlich wieder zum Leben erweckt. Dujardin und Bejo bieten ein furioses Duett, das enorm viel Spaß macht, und der Rest ist eine sehr gekonnte und humorvolle Stilübung, authentisch bis in die Dekors und Straßenszenen, und auf alle Fälle einfach mal was anderes. Auf jeden Fall erlebt das altbekannte Sprichwort von dem Blick, der mehr sagt als tausend Worte, hier eine ganz unverhoffte Renaissance. (30.1.)