The Ides of March von George Clooney. USA, 2011. Ryan Gosling, George Clooney, Philip Seymour Hoffman, Evan Rachel Wood, Paul Giamatti, Lisa Tomei, Jeffrey Wright

   Jaja, der heilige Zorn entrüsteter Demokraten. Nichts nehmen sie so übel wie den Ausverkauf hehrer ur-amerikanischer Ideale und Tugenden. Schon der Filmtitel deutet an, worauf hier gezielt wird, nämlich auf Verrat und Korruption. Und was könnte besser als Bühne zur Demonstration dienen als der Wahlkampf zur US-Präsidentschaft – natürlich nichts!

   Diesmal geht’s um den Kandidaturwahlkampf, das heißt, die Demokraten ermitteln ihren Präsidentschaftsanwärter, und in Ohio soll die entscheidende Schlacht geschlagen werden. Der heißeste Anwärter ist der smarte, medienwirksame, liberale Gouverneur Morris, der ein äußerst agiles und professionelles Team um sich geschart hat. Dazu gehören der erfahrene Paul und der ehrgeizige junge Stephen. Stephen wird der Verräter sein: Er flirtet eher aus Leichtsinn und Neugier mit dem Lager des Konkurrenten, was ihm zum Verhängnis wird, denn als Paul Wind davon kriegt, überredet er Morris, den unberechenbaren Knaben aus dem Team zu feuern. Zugleich fängt Stephen eine Bettgeschichte mit der Praktikantin Molly an, die ihm erzählt, sie bekomme ein Kind von Morris und lasse auf sein Drängen hin abtreiben. Stephen benutzt sein Wissen als Druckmittel, um wieder reinzukommen und Paul rauszukegeln, was prompt funktioniert. Er setzt auch seinen Plan durch, die Wahlmänner des konservativen und von Morris eigentlich verabscheuten Senators Thompson auf ihre Seite zu ziehen, womit Morris endgültig jegliche Integrität verloren hat. Er wird wahrscheinlich der neue Präsident, doch die Mächtigen, die Strippenzieher, sitzen woanders, und das wissen sie auch.

    Zwei thematisch parallel geschaltete Schlüsselszenen berichten davon, wie sich Strukturen verschieben, wie eine einzige Entscheidung die Waage zur einen oder anderen Seite ausschlagen lässt: Indem Stephen der Einladung der Konkurrenz folgt und tatsächlich hingeht, hat er schon verloren, denn dem gegnerischen Kampagnechef gelingt es, einen Keil zwischen ihn und Paul zu treiben. Und indem Morris wiederum einwilligt, sich mit Stephen zu treffen, hat er ebenfalls verloren, weil er zumindest kein reines Gewissen in Bezug auf Molly zu haben scheint. Stephen hat seine Lektion blitzschnell gelernt, die Wut über die erste Niederlage hat ihn jegliche Moral vergessen lassen, er schlägt nun die Strategen mit deren eigenen Mitteln. Ob jeweils wirklich was dran ist, spielt dabei keine Rolle, denn die sensationsgierige Journalistin Ida lauert stets im Hintergrund, um das Zünglein an der Waage zu spielen, um das Gerücht auszustreuen, und damit haben sich von jeher Karrieren beenden oder lancieren lassen.

 

   Ein trotz seines trügerisch ruhigen Tempos hochspannendes und komplex konstruiertes Politdrama über ein System, in dem es längst nicht mehr um Überzeugungen, Wahrhaftigkeit oder Würde geht, sondern einzig und allein um Macht, und darum, sie um jeden Preis zu erringen. Natürlich erzählt uns Clooney hier absolut nichts neues und auch nichts, was uns noch überraschen könnte (es sei denn, wir sind so naiv und glauben noch an Ehrlichkeit in der Politik), doch er erzählt so eindringlich und gründlich, dass ich trotzdem gespannt zugesehen habe. Unter völligem Verzicht auf laute Effekte oder wüste dramaturgische Volten geht er äußerst konzentriert und intensiv zu Werke, bleibt sehr dicht an den wenigen Hauptpersonen und erzeugt sehr effektiv eine Atmosphäre von Paranoia, Geltungsdrang und kalter Berechnung, in dem der Mensch total aus dem Blickfeld gerät und ein jeder nur noch eine Rolle einzunehmen und durchzuhalten hat. Ein System, das an der Oberfläche immer wieder strahlende Sieger, in Wirklichkeit aber vor allem Verlierer hervorbringt. Stephen erscheint als der überzeugte, fast fanatische Aktivist, der seinem Gouverneur koste es was es wolle zum Amt verhelfen will, allerdings nicht um seiner Aussagen oder Person willen, sondern nur der eigenen Selbstbestätigung und Macht zuliebe. Paul ist der alte Hase, der schon einige Schlachten geschlagen und längst alle Ideale über Bord geworfen hat, der aber dennoch dem kalten Intriganten Stephen nicht das Wasser reichen kann. Molly ist ein weiteres Opfer, entweder ein berechnendes Luder, das die Liaison mit Morris erfunden hat, oder tatsächlich nur ein Sexobjekt, das im Vorbeigehen konsumiert und dann weggeworfen wurde. Morris selbst schließlich ist bei allem Charisma nur eine Schachfigur, ein Spielzeug, das manipuliert und hin- und hergeschoben wird, ganz wie es den Strippenziehern gefällt. Eine attraktive, medienwirksame Marionette, am schlussendlich in jeder Beziehung machtlos ist und Stephen das Ruder überlassen muss. Es ist ebenso überraschend wie angenehm und uneitel, dass Clooney selbst sich diese Rolle gegeben hat, denn sie ist im Vergleich zu den anderen die farbloseste, passivste, und nur in einem kurzen Rededuell mit Stephen gegen Ende gewinnt der Charakter etwas an Tiefe und Abgründigkeit. Ansonsten überlässt Clooney seinen Mitstreitern das Feld, was kein Problem ist, denn die sind mehr als kompetent und legen eine brillante Ensembleleistung hin, die die ausgefeilten Dialoge zu einem ebenso vergnüglichen wie scharfkantigen Polittheater machen. Einem Theater, wie es in dieser Form wohl nur in den USA gibt, das sich aber in seiner Essenz auf die Politkader in so gut wie jedem anderen Land übertragen ließe. Vor fast zwanzig Jahren hat Tim Robbins dies schon einmal in seiner brillanten und sehr komischen Satire „Bob Roberts“ vorgeführt. Clooney schlägt in seinem Film deutlich dunklere, ernstere Töne an, zu Recht vermutlich und der Situation angepasst, denn das Lachen dürfte uns ja wohl längst vergangen sein. (16.1.)