También la lluvia (Und dann der Regen) von Iciar Bollain. Spanien/Mexiko, 2010. Luis Tosar, Gael García Bernal, Juan Carlos Aduviri, Karra Elejalde, Cassandra Ciangherotti, Carlos Santos, Raúl Arévalo
Drehbuch: Paul Laverty. Das heißt: Menschliches und Politisches, Privates und Historisches werden für gewöhnlich so vermischt, dass ein im besten Sinne engagierter und aussagestarker Film entsteht, der klar und deutlich Stellung bezieht, selbst wenn das regelmäßig vielen Kritikern missfällt, die Laverty und Ken Loach als naive Gutmenschen hinstellen wollen. Sollen sie’s doch tun, mir liegen ihre gemeinsamen Filme dennoch sehr am Herzen und ich sehe sie mir allemal lieber an als zig andere vermeintliche Politfilme, die sich wieder und wieder um einen eigenen Standpunkt herumdrücken, meistens mit dem fadenscheinigen und für mich total verlogenen Vorwand, das arme Publikum nicht bevormunden zu wollen.
Iciar Bollain, auch keine ganz unerfahrene Filmemacherin (immerhin verantwortlich für den glänzenden „Öffne meine Augen“) hat sich nun ein Skript von Laverty vorgenommen, in dem es um ein spanisches Filmteam geht, dass anno 2000 in Cochabamba, Bolivien die Geschichte der Entdeckung des Kontinents durch die Truppen von Kolumbus mit deutlich kritischen Tönen drehen möchte. Es soll darin vor allem um den Konflikt der unterschiedlichen Kulturen gehen, die Brutalität der sogenannten „christlichen“ Söldner und den Widerstand der einheimischen Indianer, der grausam bestraft und niedergeschlagen wird. Ehe es sich allerdings versieht, wird das Filmteam in einen höchst aktuellen Konflikt hineingezogen: Die Bewohner protestieren gegen die Privatisierung der Wasserversorgung, die automatisch eine drastische Preiserhöhung und damit eine akute Gefährdung ihrer Lebensgrundlage nach sich ziehen würde. Die Regierung reagiert zunächst wie gewohnt mit militärischer Gewalt und es kommt zu Straßenschlachten und bedrohlichen Eskalationen, schließlich jedoch wird die geplante Aktion zurückgezogen und die Wasserversorgung bleibt in staatlicher Hand. Die Filmcrew ist zunächst insofern betroffen, als ihr indianischer Hauptdarsteller ausgerechnet einer der Initiatoren der Protest- und Streikaktionen ist und daher ständig verhaftet und/oder verprügelt wird. Vergeblich versuchen Produzent Costa und Regisseur Sebastián, ihn bei der Stange zu halten, und als die Lage akut gefährlich wird, sehen sie sich vor die Entscheidung gestellt, entweder schnell die Gegend zu verlassen, anderswo weiter zu drehen und dem Konflikt aus dem Wege zu gehen, oder sich zu engagieren, Partei zu ergreifen mit der möglichen Konsequenz, selbst in Gefahr zu geraten.
Hier gibt es also drei Ebenen, die im Buch durchaus spannend verwoben wurden und eine sehr unbequeme Reflexion über die Haltung und Verantwortung von Kunst in politischen Konflikten ermöglichen würden. Zum einen ist die Frage, wie man den historischen Stoff, also die gewaltsame Eroberung und weitgehende Vernichtung der alten Indianerkulturen durch die christlichen Conquistadoren adäquat im Film umsetzt und zugleich das schmale Budget nicht überzieht (deshalb auch Bolivien, was natürlich zu etlichen Ungereimtheiten im Detail führt). Zum anderen natürlich die viel drängendere Frage, ob man sich einfach raushalten kann aus der Auseinandersetzung (den Wasserkrieg von Cochabamba hat es wirklich gegeben), oder ob man nicht doch jede Möglichkeit zur Einflussnahme nutzen sollte, und wenn auch nur unter Zuhilfenahme des Geldes, mit dem sich das eine oder andere erreichen lässt, wie Costa und Sebastián sehr wohl wissen. Die Positionen der beiden sind anfänglich recht klar definiert: Sebastián ist der Idealist, wild entschlossen den Film zu drehen, aber auch nicht bereit, die Ereignisse um ihn herum zu ignorieren und um jeden Preis weiter zu arbeiten. Costa hingegen ist eher pragmatisch veranlagt, schaut aufs Geld und den Zeitplan und versucht, den empfindsamen Freund immer wieder aufs Gleis zu setzen mit Blick auf das Ziel, nämlich den fertigen Film. Sein völliger Umschwung in Haltung und Handlung erfolgt, als ihn die Frau des erwähnten Hauptdarstellers bittet, sich um die Tochter zu kümmern, die bei den Kämpfen verletzt wurde und dringend medizinische Hilfe braucht. Gegen den Willen des Teams, auch Sebastiáns, fährt er mit der Mutter mitten in die umkämpfte Stadt, um das Mädchen in ein Krankenhaus zu bringen. Ob er und Sebastián, der auch im Lande bleibt, während der Rest des Teams zum Flughafen eilt, den Film jemals fertig stellen, bleibt offen und ist den beiden wohl auch nicht mehr so wichtig.
Um es ehrlich zu sagen – der Film hätte deutlich stärker sein können, er enttäuscht gerade im letzten Viertel, das nach einem ziemlich spannenden Auftakt plötzlich viel zu hastig und ungenau voranstürzt, dadurch vieles unglaubwürdig werden lässt und sich vor allem um eine Stellungnahme zu den oben angesprochenen Themen drückt. Die Auflösung, dass aus den beiden Künstlern, die eigentlich nur an ihr Projekt denken, nun doch engagierte Menschen werden, erscheint zu naiv und einfach und gibt lediglich den idealisierten Konsens wieder, statt vielleicht doch mal zu provozieren und polarisieren. Klar sollten alle Leute in dieser Situation so handeln, doch wie realistisch ist das, wie viele tun es tatsächlich, gerade unter solchen Umständen? Besonders die Wandlung Costas wirkt sehr aufgesetzt und wenig überzeugend, die verlagert die Spannung auf ein ganz anderes, weitaus physischeres Gebiet, wenn er sich mit dem Auto mitten in die Kampfzone wagt, was absolut lebensgefährlich ist und in gar keinem Verhältnis zu seiner bisherigen Haltung steht. Die Rettung er Tochter, die Beendigung des Konflikts und dessen Ausgang werden dann fast nur in Nebensätzen angesprochen, was angesichts des zuvor betriebene Aufwands mehr als merkwürdig wirkt. Leider verspielt Bollain in dieser ziemlich schwachen Schlussviertelstunde vieles von dem, was sie davor sorgfältig und mit scharfem Blick für die Verhältnisse aufgebaut hatte. Die drei thematischen Ebenen liefen fast gleichwertig nebeneinander, und der Boden schien bereitet für einen intensive Auseinandersetzung um die Frage, wie sich Costa und Sebastián als Künstler in dieser Situation positionieren wollen. Diese Chance wird gründlich vertan durch Costas abrupte Kehrtwendung und ein allgemein nicht überzeugendes Finale. Laverty hat sicherlich schon bessere Drehbücher verfasst, und Bollain hat sicherlich schon bessere Filme gedreht. Schade, denn die beiden schienen ein so vielversprechendes Team zu sein. (4.1.)