Et si on vivait tous ensemble? (Und wenn wir alle zusammenziehen ?) von Stéphane Robelin. Frankreich, 2011. Guy Bedos, Jane Fonda, Claude Rich, Pierre Richard, Geraldine Chaplin, Daniel Brühl

   Natürlich ein Traum: Man verbringt seine letzten Lebensjahre in einer WG mit guten Freunden, mietet sich ein paar junge Kräfte und lässt es sich fernab des Altenheimgrusels einfach gut gehen. Eine herrliche Utopie, an der wir heute umso stärker hängen, als die Demographie fürchterliche Verhältnisse androht und die bestehenden Strukturen kaum Anlass zum Optimismus geben. Und abgesehen davon durchaus weitsichtig und realistisch, denn aktive, zupackende Selbsthilfe erspart manch einem vielleicht das trübe Schicksal, hilflos, schwerstkrank und gegen den Willen (sofern überhaupt noch vorhanden) in irgendeine Einrichtung verfrachtet zu werden, weil es eben nicht mehr anders geht. Unsereiner kann aus eigener Praxis Dutzende solcher Geschichten erzählen.

   Die fünf Protagonisten hier lassen es nicht soweit kommen, selbst wenn ihre Motive im einzelnen höchst divergierend sind: Jeanne weiß, dass sie bald an einem Tumor sterben wird und will ihren demenzkranken Mann Albert versorgt wissen. Ihre Freundin Annie findet die Idee vor allem deshalb gut, weil sie ihren Freund Claude, der seit längerem allein lebt, aus seiner Einsamkeit retten können. Ihr Gatte Jean ist zwar alles andere als begeistert, aber da sich zu aller Zeit stets die Frauen durchgesetzt haben, fügt er sich rechtzeitig und macht gute Miene zum bösen Spiel. Der junge deutsche Student Dirk wird angestellt, zunächst nur als Hundesitter, dann zunehmend als Mädchen für alles, ein Pool wird kurzerhand in den Gemüsegarten gepflanzt, und beizeiten erkennen alle, dass Freundschaft und Zusammenhalt gegen alle Widrigkeiten durch nichts zu ersetzende Schutzschilde sein können.

   Eigentlich kommt der Film wie eine lockere Komödie rüber, in allerdings allerhand durchaus ernste und komplexe Themen verhandelt werden: Sterben, Tod, Krankheit, Sexualität, Demenz und so weiter, die ganze Palette, die im Zusammenhang mit Betrachtungen über das Alter heutzutage angesagt ist. Unbeschwert und heiter geht’s jedenfalls nicht unbedingt zu: Die eine hat Krebs, der andere verliert zunehmend den Kontakt zur Wirklichkeit, der dritte sehnt sich unentwegt nach Frauen und hilft sich mit Viagra, auch wenn das Herz bald streikt, der vierte leidet darunter, dass er auf politischen Demos nicht mehr für voll genommen und von den Wasserwerfern ignoriert wird, die fünfte hat im Laufe der Zeit die Liebe und Leidenschaft für ihren Mann weitgehend eingebüßt. Längst vergangene Affären kommen plötzlich ans Tageslicht und sorgen noch mal für Aufruhr, der deutsche Milchbubi und Ethnologe wird von einer Verlegenheit in die andere gestürzt, es gibt zwischendurch sehr witzige und warmherzige Momente, dann aber auch ernste bis traurige, sodass man eigentlich nicht von einem reinen Wohlfühlfilm sprechen kann. Im Gegenteil bleiben aufkommende Fröhlichkeit und Gefälligkeit immer wieder im Ansatz stecken, werden untergraben von einigen unverblümten und angenehm unverklemmten Betrachtungen darüber, was das Altern mit sich bringt und wie die Diskrepanz aussieht zwischen der öffentlichen, allgemein akzeptierten Wahrnehmung von Alter und der Innenansicht, sprich der Perspektive der Betroffenen, und die ist keineswegs so sonnig, dynamisch und zupackend, wie es in der Kommerzversion gern dargestellt wird.  Claudes Ausflüge ins Rotlichtmilieu beispielsweise haben ein komische aber auch eine tragische Seite, Alberts Demenz ganz genau so, und hinter Jeannes forschem, manchmal schon dreistem Auftreten steht nichts anderes als die Verdrängung der Tatsache, dass sie bald sterben wird.

 

   Natürlich ließen sich die oben genannten Themen wesentlich tiefgründiger und differenzierter behandeln, und natürlich erhebt dieser Film wohl kaum den Anspruch, eine endgültige Reflexion über das Alter mit all seinen Begleiterscheinungen sein zu wollen, er will zuerst unterhalten und ein wenig zum Nachdenken anregen, ohne irgendetwas allzu sehr zu vertiefen. Zwischen Humor und Melancholie aber richtet er sich nett ein, profitiert natürlich vom geballten Charisma der großartigen Darsteller, die bis auf die Geraldine hoch in die Siebziger bis hinein in die Achtziger reichen und die mit Pep, fröhlicher Selbstironie und herrlich entspannter Routine bei der Sache sind und buchstäblich das Herz des Films bilden. Es kommt wahrscheinlich darauf an, was man  erwartet, ich jedenfalls war angesichts einer aktuellen Schwemme eher seichterer französischer Produktionen recht angenehm überrascht und fand den Film schön und auch ein bisschen bewegend. (18.4.)