Poupoupidou (Who killed Marilyn?) von Gérald Hustache-Mathieu. Frankreich, 2011. Jean-Paul Rouve, Sophie Quinton, Olivier Rabourdin, Guillaume Gouix, Arsinée Khanjian, Clara Ponsot
Fast schon dumm, solch ein Kleinod mitten im Sommer zu zeigen, den bei guten 25 Grad Außentemperatur fällt es zugegeben etwas schwer, sich in den winterlichen französischen Jura hinein zu versetzen und die besondere Atmosphäre der Bilder vollauf zu genießen. Dabei tut die hervorragende Kamera wirklich ihr bestes, um der skurrilen Kriminalgeschichte ein angemessen frostiges und leicht unwirkliches Feeling zu verpassen. Ich denke auch, dies ist absolut geglückt, und es liegt gewiss nicht an irgendwelchen Versäumnissen, wenn der leicht bekleidetet Kinogänger nicht immer voll mitgehen kann. In Frankreich debütierte der Film auch im Winter, was natürlich vernünftig und angemessen ist.
Ein Krimiautor auf dringender Suche nach Inspiration gerät zufällig an den vermeintlichen Selbstmord einer Provinzschönheit, die als zweite Marilyn Monroe in Werbeaktionen und als Societygirl zu lokaler Berühmtheit gekommen und dann in politische Kreise geraten war. M. Rousseau wittert eine Story für den nächsten Moment und klemmt sich in die Sache rein, die auf polizeilicher Seite ein wenig zu eilig als erledigt abgehakt wird. Dass er selbst bald Objekt heimtückischer Anschläge wird, gibt ihm Gewissheit, das er auf einer Spur ist, und als er dann die Tagebücher der Toten ausgräbt, haben auch wir teil an einer Geschichte von großer Sehnsucht, trügerischem Ruhm und dem hohen Preis dafür. Dass das Geheimnis tatsächlich gelöst wird, kümmert offiziell niemanden, denn die Großen lässt man wie immer laufen, aber Rousseau hat natürlich einen tollen Stoff an der Hand und hat nebenbei zarte Bande zu einer Toten geknüpft.
Der Film hat mir deshalb so gut gefallen, weil er nichts überzieht, nirgendwo dick aufträgt, Was die einen Kritiker ihm als Unentschlossenheit ankreiden, empfinde ich als wohltuend dezent und offen, eine Mischung aus Krimi, mystischer Romanze und Provinzsatire, die mit allerlei skurrilen Details aufwartet, diese aber ganz unscheinbar präsentiert, genauso wie viele komische Momente, die sich eben dadurch auszeichnen, dass sie nicht einfach platt und derb in die ewig gleiche gefällige Kerbe hauen, sondern eher verschmitzt und auf den zweiten Blick witzig wirken. Je ausführlicher wir von Martines Vergangenheit erfahren, desto komplexer wird der Übergang zwischen Tragödie und Komödie, wobei einerseits geschickt mit diversen Klischees jongliert wird und andererseits die ironischen Spitzen (zum Beispiel gegen die Werbebranche) zum Teil hübsch patzig ausfallen. Das Provinzmädel, das mit allen Mitteln eine neue Identität annehmen möchte, das rein äußerlich betrachtet immer nur Spielball ehrgeiziger Männer bleibt, in Wirklichkeit ihre Karriere aber mit Mut und Klugheit und Kompromisslosigkeit vorantreibt, wird ein zunehmend vielschichtiger Charakter, der sich offenbar perfekt als Projektionsfläche für unseren empfänglichen Krimischreiber eignet, denn in mehr als einem Tagtraum fantasiert der Herr sich einige recht abenteuerliche Dinge zusammen. Von der Seelenverwandtschaft, die er gern zwischen sich in Martine (alias Candice) sehen möchte, wird uns Zuschauern herzlich wenig ersichtlich, was einen Teil des sympathischen spinnerten Typen ausmacht, der immerhin genug Energie daraus zieht, um hartnäckig am Ball zu bleiben und einen Polizeibeamten vor Ort mit seinem Eifer zu infizieren.
Das originelle Setting wird von ebenso originellen Figuren bevölkert, die Geschichte wird unaufgeregt und dennoch spannend voran getrieben, denn je weiter wir in Martines Biografie vordringen, desto interessanter wird’s und desto spannender wird auch die Frage, wer für ihren Tod verantwortlich ist. In Frankreich haben Provinzkrimis eine große Tradition (man denke zum Beispiel an Filme Chabrols), dieser hier erweist sich der Tradition als absolut würdig und bietet für mich eine mehr als willkommene Abwechslung zum seichten Komödienprogramm, auf das die Burschen in letzter Zeit abonniert zu sein scheinen. (2.8.)