Woody Allen: A Documentary von Robert B. Weide. USA, 2011.
Eigentlich ist ein Dokumentarfilm über Woody Allen eine widersinnige Idee, denn kaum ein anderer Regisseur gibt so sparsam über sich und sein Werk Auskunft und kaum ein anderer zeigt sich so resistent gegen die sogenannten neuen Medien oder auch den trügerischen Glamour der einschlägigen Events. Und so werde ich wohl niemals in den Genuss kommen, einen seiner vielen wunderbaren Filme mit einem Audiokommentar sehen bzw. hören zu können, so kärglich sind die DVDs aus seinem Katalog ausgestattet.
Andererseits ist ein Dokumentarfilm über Woody Allen natürlich eine gute und vor allem legitime Idee, denn er ist nun mal der konstanteste, individuellste und vielleicht auch beste aller US-Filmemacher der letzten vier Jahrzehnte. Bis Mitte der 80er hat er – mit nur wenigen Durchhängern – eine grandiose Serie zum Teil meisterhafter Filme inszeniert, und nachdem ihm nach „Mighty Aphrodite“ fast zehn Jahre lang nur noch flaue und bestenfalls „nette“ Sachen gelungen waren, schaffte er es 2005, sich mit „Match Point“ regelrecht neu zu erfinden, neuen Schwung aufzunehmen und seinen Horizont, zumindest rein geographisch, entscheidend auszudehnen. Sein letzter Film „Midnight in Paris“ war sein größter kommerzieller Erfolg und ist sicherlich sein schönster seit langem, und sein allerjüngstes Werk, diesmal in Rom angesiedelt, steht schon wieder vor der Tür.
Robert B. Weide hat Allen offenbar über längere Zeit interviewt, hat ihn begleitet in New York zu Schauplätzen seiner Kindheit, daneben gibt’s Material aus alten TV-Shows, Ausschnitte einiger Filme und es kommen zahlreiche Kritiker, Kollegen, Verwandte und Schauspieler zu Wort, die sich zu Allens Arbeitsweise und Eigenarten äußern. Herausgekommen ist sicherlich nicht das, was man eine kritische Dokumentation nennen würde, sondern eher ein Film in Stil der typischen Making-ofs, immerhin aber mit dem Bemühen um ein wenig Tiefgang, und vor allem auch über zwei Stunden hinweg durchgehend äußerst unterhaltsam und interessant. Die enorme Zeitspanne von gut fünfzig Jahren wird im Flug durchmessen, und auf eindrucksvolle Weise werden die unverwechselbaren konstanten in Allens Werk deutlich, sein Humor, seine Themen, seine Obsessionen und Neurosen, die er selbst wieder und wieder aufs Korn genommen hat wie kein anderer Filmkünstler. Natürlich hätte Weide etwas tiefer in die Materie vordringen, hätte sich stärker für Vorbilder, Einflüsse und Leitmotive interessieren können (lediglich Fellini wird einmal erwähnt, ein bisschen wenig), aber dies ist halt kein Kunstessay, sondern in erster Linie eine Hommage, die unterhalten soll, und das tut sie auf jeden Fall. Man sieht Leute wie Diane Keaton oder Tony Roberts, die Allens entscheidende frühen Filme begleiteten und prägten, Gordon Willis kommt zu Wort, der einige der besten seiner Filme fotografiert hat, und aus jüngeren Jahren erscheint allerhand Prominenz wie Mira Sorvino, Naomi Watts, Scarlett Johanssen, Penélope Cruz oder Sean Penn, die dem Meister artig Tribut zollen. Dass dem das vermutlich ziemlich schnurz ist und das seine ständige Tiefstapelei vermutlich nicht bloß eine reine Pose ist, gehört zu den leichten Paradoxien dieses Projekts und wird ganz locker übergangen, weil wahrscheinlich keiner hier sich den Spaß verderben wollte. Sei’s drum, ich habe mich allerbestens amüsiert, war aufs neue fasziniert vom einzigartigen Universum Woody Allens und habe mal wieder so richtig Lust gekriegt, die alten Filme hervorzukramen. Eine bessere Empfehlung kann man solch einer Dokumentation ja wohl kaum aussprechen. (7.8.)