Dark Blood von George Sluizer. USA, 1993/2013. River Phoenix, Jonathan Pryce, Judy Davis, Karen Black
Berlinale, die 1.:
Eine abenteuerliche Entstehungsgeschichte. 1993 verstirbt mitten in den Dreharbeiten Hauptdarsteller River Phoenix, bevor der Film halbwegs fertig gestellt werden kann. Jahrelang zieht Regisseur Sluizer ihn sicherheitshalber aus dem Verkehr, nachdem die Versicherungen klargemacht haben, dass der letzte Zugriff bei ihnen liegt. Erst knapp zwanzig Jahre später erscheint nun doch eine Kinofassung, in der Sluizer die fehlenden Szenen durch einem von ihm selbst gesprochenen Off-Text ersetzt: Das Bild friert plötzlich ein und eine Stimme liest uns praktisch das Drehbuch vor. Das Coolste: Dieser schräge Trick fällt gar nicht mal so sehr auf, denn der Film an sich ist schon verdammt schräg!
Ein psychedelischer, apokalyptischer Psychowestern über ein zerstrittenes Ehepaar aus der Stadt, das mit einem ständig lahmenden und bockenden Bentley durch die Wüste gurkt und idiotischerweise annimmt, dieser sinnlose Trip könne ihre labile Ehe retten. Mit der zarten Idylle ist es den auch restlos aus, als man ein weiteres Mal liegen bleibt und an einen eigenartigen jungen Mann gerät, der wie ein Eremit mitten im Nichts haust, offenbar inmitten eines Ödlands, das vor Jahrzehnten Schauplatz von Atomwaffenversuchen war. Drumherum also nichts als verlassene Geistersiedlungen und die Erinnerung an seine Frau, die viel so viele andere an „plötzlich auftretendem“ Krebs verstarb. Nun aber fasst Boy die genervte Ehefrau als neues Objekt seiner Begierde ins Auge – mit ihr will er in der unterirdischen Zuflucht, die er ausgebaut und „eingerichtet“ hat, das nahende Ende überdauern und mit ihr will er eine neue Generation erschaffen. Klar, dass der Gatte da nicht freiwillig mitmacht, und bald befinden wir uns mitten in einem Drama von sexueller Rivalität, Eifersucht, männlicher Machtkämpfchen, und je unbarmherziger die Sonne auf die drei Leutchen scheint, desto höher schlagen die Wogen, bis schließlich Blut fließt...
Sluizers Rezitative wirken (vielleicht unfreiwillig) wunderbar lakonisch, fast ironisch, und konterkarieren das zunehmend fiebrige und abstruse Geschehen durch ihren coolen, unbeteiligten Gestus. Judy Davis und Jonathan Pryce sind ein herrlich zickiges Ehepaar, er ein eitler, selbstsüchtiger Dummkopf, sie eine scharfzüngige Ziege, die die Katastrophe am besten kommen sehen müsste, dann aber eher passiv und hilflos wirkt, statt rechtzeitig zwischen die Kampfhähne zu treten und für klare Verhältnisse zusorgen. Einerseits schmeicheln ihr vielleicht die blumigen Avancen des Jüngeren, andererseits ist für jedermann zu erkennen, was für ein durchgeknallter Spinner der Knabe ist, und spätestens als er sich ein Pin-up-Foto aus ihrer wilden Vergangenheit als Striptänzerin an die Wand hängt und ominöse Vorträge über sein teilweise indianisches Blut und seine Verbindung zu den alten Mythen hält, wird auch ihr die Sache unheimlich. Auf der anderen Seite verhält sich ihr Gatte dermaßen töricht und einfältig, dass sie es wohl auch nicht übers Herz bringt, für ihn Partei zu ergreifen und den in Liebe entflammten Jüngling zu stoppen. Die Eskalation unter sengender Sonne ist unvermeidlich, niemand ist zugegen, der die Stimme der Vernunft vertritt, und die Indianer aus der nahen Siedlung, die einst ebenfalls von ihren Land vertrieben wurden und nun fremd und entwurzelt in schäbigen Behausungen dahinvegetieren, haben es abschließend in der Hand, über das Schicksal der Fremdlinge zu entscheiden.
Eindrucksvoll sind die Schauplätze, sehr suggestiv, sehr unheimlich, ständig anspielend auf unsere Vorerfahrungen mit einschlägigen Horrorfilmen, die solches oder ähnliches Milieu bereits ausgebeutet hatten („The hills have eyes“ zum Beispiel), sodass wir ständig mit dem schlimmsten rechnen, es aber eigentlich nie soweit kommt. Auch River Phoenix selbst gibt mal einem eher versponnen, jenseitigen, aber im Grunde nicht gefährlichen oder unsympathischen Nerd, der bei Bedarf aber doch allerhand Abgründe zu verbergen hat, die die Atmosphäre sofort ins Bedrohliche kippen lassen können. Sluizer spielt hier sehr effektiv mit Befürchtungen und Erwartungen, doch inwiefern diese vorliegende Fassung den ursprünglichen Absichten entspricht, ist wohl nur noch ansatzweise nachzuvollziehen. Es bleibt ein skurriler Genremix mit Spannung, trockenem Humor und ein paar feinen Schauspielern. Und es bleibt endgültig der aller-aller-allerletzte Film mit River Phoenix, an den ich mich sehr gern mal wieder erinnert habe. (14.2.)