Das Leben ist nichts für Feiglinge von André Erkau. BRD, 2012. Wotan Wilke Möhring, Helen Woigk, Christine Schorn, Frederick Lau, Rosalie Thomass

   Das Schicksal schüttelt die kleine Familie kräftig durch: Erst kommt Mama durch einen grotesken Unfall ums Leben, dann wird der Oma auch noch die Diagnose Darmkrebs präsentiert. Vater und Tochter drohen den Halt zu verlieren, er, indem er ganz nach Männerart seine Gefühle zu unterdrücken versucht, sie, indem sie sich noch tiefer in ihre Gothic-Welt zurückzieht. Beide lernen neue Menschen kennen: Er die nette Pflegerin seiner Mutter, sie den etwas abgedrehten Typen aus dem Viertel. Doch im Kern bleiben die zu dritt. Dann stirbt auch noch die Oma und es sind nur noch zwei.

   Der Begriff der Tragikomödie wurde für Filme wie diesen erfunden – mal buchstäblich todtraurig, mal total witzig, mal lebensbejahend und mal verzweifelt, so wie’s halt hin und her geht in extremen Lagen. Vater und Tochter sind zunächst total betäubt von dem Schock, finden nur schwer zueinander, finden auch kaum Worte füreinander, und natürlich sind das dann auch noch zumeist die falschen Worte. Als Oma dann mit ihrem Krebs um die Ecke kommt, will ihr Sohn erst mal nicht wahrhaben, dass er auch sie noch verlieren wird, und es braucht schon ein paar Aufreger von außen, um die drei wieder wenig zusammen rücken zu lassen. Aber sie tun es eben und setzen damit ein eindrucksvolles Zeichen: Auf wen verlassen wir uns, wem vertrauen wir, zu wem ziehen wir uns immer wieder hin, egal was vorher vielleicht mal passiert ist.

   Das launige Drehbuch kommt anfänglich vielleicht ein wenig holprig aus den Startlöchern, findet erst nach einer halben Stunde oder so zu einem sicheren Rhythmus, dann aber gelingen nicht nur mehr Kabinettstückchen, sondern wirklich starke, abwechselnd bewegende und heitere Szenen, meistens beides in einem oder wenigstens dicht beieinander. Wir sehen den Vater bei seinem täglichen Kampf um die Fassung, um etwas Normalität, um das Funktionieren bei der Arbeit. Wir sehen die Tochter, die genau das nicht versteht und auch nicht will, für die der Papa plötzlich nicht mehr die gewohnter Sicherheit und Souveränität ausstrahlt und die ihn für sein Verdrängen und Abblocken verachtet. Und wir sehen die Oma bei ihrem Kampf gegen den Krebs, den sie sowieso nur halbherzig führt, weil sie längst spürt, dass sie nicht gewinnen kann, und die nun versucht, sich noch ein wenig Würde und Freude zu erhalten, was mit Hilfe der unkonventionellen und sehr einfallsreichen Pflegerin auch leidlich gelingt.

 

   Man sollte vielleicht nicht jede einzelne Szene auf Sinn oder Glaubwürdigkeit abklopfen, das würde dem Ton des Films insgesamt auch nicht gerecht, denn er operiert zwischendurch auch gern mal mit burlesken, überspitzten oder überdrehten Elementen, was aber weder einer grundsätzlichen Ernsthaftigkeit noch dem Eindruck von Aufrichtigkeit Abbruch tut. Das Gefühl stimmt einfach, die großartigen Schauspieler tragen wesentlich dazu bei, genau wie eine Regie, die sich auch mal traut, das sattsam erforschte und vermessene Terrain des Familiendramas zu überschreiten. Mal hat man einfach Spaß, mal trifft einen die Trauer der Personen selbst mit voller Wucht, und alles in allem ist dies schon ein sehr schöner und guter Film, der mich nur gerade jetzt teilweise fast schon auf dem falschen Fuß erwischte. Was aber auch zu erwarten war. Trotzdem – dämlich ist der Titel schon...(29.4.)