Das Wochenende von Nina Grosse. BRD, 2012. Katja Riemann, Sebastian Koch, Tobias Moretti, Barbara Auer, Robert Gwisdek, Sylvester Groth, Elisa Schlott

   Bernhard-Schlink-Fans mögen die Verfilmung seines Romans aus anderem Blickwinkel beurteilen, ich habe den Roman vor einigen Jahren gelesen und halte den Film in gewisser Weise für adäquat, denn mit beidem war ich nicht sonderlich zufrieden, weder mit dem Buch noch mit dem Film, und zwar trotz aller möglichen Unterschiede aus den gleichen Gründen. Schlinks Roman versucht sich als Porträt einer von den Folgen des RAF-Terrorimus’ gezeichneten Gruppe mittelalter Herrschaften. Er seziert ihre Gedankenwelten mit der kühlen Distanz des überlegenen Romanciers, und es gelingt ihm zu keinem Zeitpunkt, mich in irgendeiner Form für die Geschichte, die Personen oder ihre Motive zu interessieren. Er dringt nicht zum Kern der Sache vor, bleibt vage, unpersönlich, ein wenig leblos. Und genau so ist auch der Film. Der nach achtzehn Jahren entlassene ehemalige Terrorist Jens und die kleine Gruppe bestehend aus Familie, ehemaliger Geliebter, deren neuem Mann und einem alten Weggefährten hätten sicherlich viele spannende und einsichtsreiche Dinge zu verhandeln, doch eigentlich tut sich gar nichts. Wir erfahren fast nichts über sie, höchstens ein paar schemenhafte, mit sehr grobem Strich gezeichnete Andeutungen, wir verstehen nie und nimmer, was diese Menschen einst verband, was sie zueinander führte, wir ahnen auch nur ungefähr, wie sich ihre Lebensentwürfe seither entwickelt haben. Kurz, die Personen hier sind nicht lebendig, nicht plastisch, sie bleiben eindimensional, unscharf, einige sind fast gar nicht vorhanden. Auch profilierte Schauspieler wie Barbara Auer und Sylvester Groth können es nicht schaffen, diese blassen Hüllen zum Leben zu erwecken. Im Vordergrund steht sowieso viel eher sexuelle Rivalität: Der alte und der neue Lover ringen um die Gunst Ingas, die schwankt zwischen Pflichtgefühl dem Gatten gegenüber und ihrer eigentlichen Neigung zu Jens, für die sie sich schlussendlich auch halberlei entscheidet. Hinzu kommt ein kerniger Auftritt ihres gemeinsamen Sohnes, der dem bislang nie in Erscheinung getretenen Papa eine böse Szene macht und ihm all die aufgestaute Wut und Enttäuschung aus achtzehn Jahren knallhart um die Ohren haut. Das Thema Terrorismus findet eigentlich gar nicht statt, es sei denn, man hält die wenigen Klischeephrasen, die Jens und sein Rivale Ulrich gelegentlich absondern, für eine ernsthafte Auseinandersetzung. Das Porträt einer Generation zwischen Widerstand und Anpassung, Ernüchterung und Idealen, Entkräftung und Sehnsucht misslingt, weil es zu wenig Ansatzpunkte gibt, zu wenig Greifbares. Das Porträt der nachfolgenden Generation beschränkt sich auf den zornigen jungen Mann und das neugierige, dann aber auch wieder gleichgültige Mädchen und kann folglich nicht gerade als tiefgründig bezeichnet werden. Auch sonst bleibt eigentlich alles im Bereich dunstiger Andeutungen, und wer mag, kann eine Menge interpretieren und ausmalen. Ich für meinen Teil hatte wenig bis gar keine Lust dazu, weil Geschichte und Personal mich nicht zum Mit- oder Weiterdenken animiert haben, wobei ich wirklich kein Kinogänger bin, der alles fertig vorverdaut und mundgerecht serviert bekommen muss, im Gegenteil. Hier aber finde ich nichts, in das ich mich einklinken, einhaken könnte, keine Widerstände, keine spannenden Kontroversen, gar nichts. Bei einem solchen Thema und einer Handvoll wirklich guter Darsteller hätte deutlich mehr dabei herauskommen müssen, folglich bin ich, hier schließt sich dann der Kreis, von dem Film ähnlich enttäuscht wie vom Roman. (17.4.)