The Great Gatsby (Der große Gatsby) von Baz Luhrmann. USA/Australien, 2013. Leonardo Di Caprio, Carey Mulligan, Tobey Maguire, Joel Edgerton, Elizabeth Debicki, Isla Fisher, Jason Clarke

   So ist der Lauf der Welt: Erst die Party, dann der Kater. Die Roaring Twenties feiern bis zum Stillstand der Pupillen, merken nicht, dass alles geradewegs auf den Abgrund zuschlittert, aber das würde auch niemanden wirklich kümmern, denn am meisten bejammert man dann doch die eigenen, privaten Wehwehchen. Eitelkeit, Pathos und maßloser Vergnügungswahn mischen sich mit kriminellen Umtriebigkeiten, illegaler Alkoholdeals und windiger Transaktionen. Auferstanden aus dem Horror des Ersten Weltkriegs tobt sich eine Generation tüchtig aus, bis dann Ende des Jahrzehnts ein für allemal Schluss damit sein wird.

 

   Jack Clayton hat vor knapp vierzig Jahren aus Fitzgeralds Epochenroman eine gediegene und ebenso langweilige Filmfassung in schillerndem Weiß gemacht, mit der Luhrmanns Neuaufguss natürlich gar nichts zu tun hat. Luhrmann bietet uns zweieinhalb Stunden pralles Kino, zunächst einen einstündigen Videoclip über eine endlose Party und dann in der zweiten Hälfte ein Drama über Liebe, Eifersucht, Konkurrenz und große Lebenslügen. Mein Problem ist: Mit keinem der beiden Teile kann ich etwas anfangen. Nicht mit der rauschenden Ballnacht und auch nicht mit dem Liebesdrama. Die rauschende Ballnacht liefert dem selbstverliebten und extrovertierten Filmemacher Luhrmann die Gelegenheit, in Exzessen zu schwelgen, solange, bis auch der letzte doofe Kinobesucher die Botschaft kapiert hat: Wir amüsieren uns zu Tode, schon klar. In Gatsbys Protzvilla auf Long Island trifft sich Nacht für Nacht die Haute-Volée New Yorks, um sich selbst, ihren Reichtum und die geilen Zeiten zu feiern. Wir erfahren nebenbei und etwas später, dass Gatsby seinen Reichtum durch allerlei krumme Geschäfte erworben hat, doch ist uns diese Gewissheit dann schon längst egal. Der Versuch, aus den einzelnen Protagonisten der Lost Generation Figuren einer Tragödie zu machen, muss zwangsläufig misslingen, denn auch diese Leute sind uns egal. Gatsby ist ein weltfremder Schwärmer, Carraway ein totales Neutrum (passend zu Tobey Maguire!), Daisy ein verzogenes, egozentrisches Gör und ihr Mann einfach nur ein Arsch. Für keinen dieser vier habe ich irgendetwas empfunden außer vielleicht eine mehr oder wenig intensive Ablehnung, und da sich die Schauspieler gegen Luhrmanns aufdringliche Kapriolen nur selten wirklich in Szene setzen können, erhalten wir von dieser Seite diesmal nur eingeschränkt Hilfe. Das Porträt einer selbstmörderischen Epoche gerät zwar in einigen Momente schön knallig und prägnant, basiert letztlich aber auch nur auf Überzeichnungen und Klischees. Luhrmanns Schwelgen in Art Déco, in Stilisierungen und Künstlichkeiten verhindert jegliche Erdung in der Zeit, und so wenig mich Claytons akademische Exerzitien interessiert haben, so wenig interessieren mich anderseits Luhrmanns kapriziöse Stilübungen, die - huch wie kühn! – den Charleston mit modernem Hip Hop paaren und gegen Ende unangenehm pathetische Töne anschlagen. Wie so häufig macht Luhrmann von allem einfach zuviel und vergurkt damit das Gesamte, was ich bei Romeo und Julia oder Moulin Rouge noch irgendwie passend fand, bei Australia und dem Gatsby aber nicht mehr. Ich habe diesen Film weitgehend als heiße Luft empfunden, viel Pose, wenig dahinter, und Fitzgeralds alkoholgetränktes Selbstmitleid war mir schon immer suspekt. Einfach nicht mein Ding, der Gatsby, so sieht’s aus, weder als Roman noch als Film. (31.5.)