The Hobbit – The Desolation of Smaug (Der Hobbit – Smaugs Einöde) von Peter Jackson. Neuseeland/USA, 2013. Martin Freeman, Ian McKellen, Richard Armitage, Ken Stott, Evangeline Lilly, Orlando Bloom, Aidan Turner, Graham McTavish, Luke Evans, Stephen Fry, Mikael Persbrandt, Sylvester McCoy
Am Ende des ersten Teils seufzten die Reisenden erleichtert: Das Schlimmste haben wir wohl überstanden. Am Ende von Teil zwei fragt Bilbo Beutlin im Angesicht des Drachens Smaug, den sie wieder zum Leben erweckt haben, entsetzt: Was haben wir getan? Dazwischen liegen zweidreiviertel Stunden Abenteuer, Hautwechsler, Riesenspinnen, Orks in Hülle und Fülle, der Weg durch den Düsterwald, das wieder auferstehende Böse in der alten Festung, das Leben im Schatten des Berges und der Angst vor dem tödlichen Drachen in der Seestadt. Wie im Herrn der Ringe wird die Gruppe geteilt, werden die Erlebnisse der Zwerge einerseits und Gandalfs andererseits parallel erzählt, und am Schluss rotten sich die feindlichen Lager zusammen zu einer vermutlich wüsten Schlacht zwischen Gut und Böse, die den dritten und letzten Teil der Geschichte beherrschen wird. Kommt uns irgendwie bekannt vor, gelt...
Mehr noch als „Eine unerwartete Reise“ macht dieser Mittelteil der Hobbit-Trilogie deutlich, welche Anstrengungen Jackson und die Seinen unternehmen mussten, um aus einem verhältnismäßig schmalen (wenn auch handlungsreichen) Buch eine weitere monumentale Unternehmung zu stemmen. Und diesmal wirkt das Ganze auch ein wenig angestrengt, und, wie ich gleich beim Zuschauen fand, nicht gerade zum Vorteil des Films. Etliche Personen werden neu erfunden oder aus anderen Tolkien-Zusammenhängen herausgenommen und in die Geschichte integriert, um ein wenig mehr „Substanz“ zu gewinnen. Ich habe allerdings nicht den Eindruck, dass das in diesem Fall sonderlich gut geglückt ist, zumal der deutlich Fokus auf dem Spektakel, den extensiven Actionsequenzen liegt. Diese sind teilweise dermaßen übersteigert und überkandidelt, dass sie schon fast groteske, komische Ausmaße annehmen, beispielsweise das endlose Gemetzel, das Legolas und seine aparte Mitstreiterin Tauriel (die es bei Tolkien gar nicht gibt) in der zweiten Filmhälfte unter den Orks anrichten. Der schwindelerregende Kampf der Zwerge gegen Smaug ist für mich ein weiteres Beispiel für eine zunehmend unübersichtliche Szene, die auf Dauer an Wirkung verliert, weil sie einfach zu sehr in die Länge gezogen wird. Andere Zutaten, an denen Tolkien sicherlich gelegen war bei seinem Bemühen, eine möglichst vollständige Vision seiner Fantasiewelt herzustellen, werden hingegen knapp behandelt, vernachlässigt, was bei dem allgemeinen zeitlichen Aufwand in Relation zur Buchlänge schwer nachzuvollziehen ist.
Ebenfalls schwer nachvollziehbar ist, wieso es Jackson diesmal nicht wirklich geschafft hat, seine Figuren ins Zentrum unseres Interesses zu rücken, was ihm ansonsten bei allem Effektgehasche stets gelungen ist. Mal tritt Bilbo kurzzeitig etwas in den Vordergrund, dann wieder Gandalf oder Thorin, all dies bleibt jedoch flüchtig, wenig stringent, wirkt unentschlossen und auch dramaturgisch ungewohnt inkonsequent. So mitreißend er es beispielsweise in „Die zwei Türme“ verstanden hat, mehrere Geschichten parallel zu führen, so wenig schafft er’s hier, und so wirkt die Betonung schwindelerregender Choreographien regelrecht verdächtig und auch bezeichnend. Ich muss sagen, dass ich all die Kämpfe und Jagden erstmals ein bisschen ermüdend fand, und obgleich auch dieser Film sicherlich ein ansehnliches und wie gewohnt fabelhaft designtes Fantasyepos ist, überwiegen meiner Ansicht nach doch die Schwächen.
Außerdem werde ich den Verdacht nicht los, dass Jackson auf der Kreativebene einfach nicht genug in die Waagschale werfen kann, um dieser zweiten Trilogie eine gewisse Autonomie der ersten gegenüber zu verleihen. Offenbar hat er selbst der Substanz des Romans nicht so sehr getraut, denn weswegen sonst hätte man noch soviel hinzufügen und -dichten müssen? Sicherlich war sein Ehrgeiz groß, ein zweites unvergessliches Monumentalwerk zu erschaffen, doch wenn der dritte und letzte Teil nicht deutlich besser geworden ist, würde ich fast sagen, er hat sich diesmal am eigenen Anspruch verhoben. Natürlich vergleicht man unweigerlich mit dem Herrn der Ringe, auf den ja schließlich auch pausenlos Bezug genommen wird, und der als Film bis jetzt deutlich kohärenter und geschlossener ist. Jackson hat versucht, das vergleichsweise kleine Hobbitbuch mit aller Macht auf das Format des berühmten Nachfolgers aufzublasen. Aufgeblasen ist dieser Mittelteil auf jeden Fall, nur leider auf Kosten der Leichtigkeit, des Charmes und auch des Stils. Apropos Stil: Noch weniger als in Teil eins haben es Jackson und seine Drehbuchdamen diesmal geschafft, den Tonfall des Tolkienbuchs nachzuempfinden, welcher sich ja doch deutlich unterscheidet von der streckenweise recht getragenen Epik des Herrn der Ringe. Diesem Film hier geht besonders der Humor ab, den Tolkien im „Kleinen Hobbit“ durchaus als kontinuierliches Stilmittel verwendet. Es ist einfach so, dass der Hobbit und der Herr der Ringe bei Tolkien keine beabsichtigte geschlossene Einheit darstellen. Jackson und sein Teams wollen aber offenbar gerade darauf hinaus, und spätestens jetzt kriegt der „Hobbit“ das Problem, mehr zu sein als nur ein Ableger des älteren, größeren Bruders. Ich sagte damals, und dazu stehe ich jetzt mehr denn je: Überbieten wird sich Jackson nach dem Herrn der Ringe sowieso nicht mehr. Wenn er das versucht, muss er zwangsläufig scheitern. Es ist eine Frage, mit welchen Ambitionen er das Hobbit-Projekt angeht, und da sind beim Ansehen dieses Teils bei mir doch ein paar ungute Gefühle aufgekommen. Wolln wer mal stark hoffen, dass dies nur eine zwischenzeitliche Unpässlichkeit ist und Master Jackson im Finale wieder zu gewohnter Form auflaufen kann... (22.12.)