Hypnotisören (Der Hypnotiseur) von Lasse Hallström. Schweden, 2012. Tobias Zilliacus, Mikael Persbrandt, Lena Olin, Helena af Sandeberg, Oscar Pettersson, Anna Azcarate, Jonatan Bökman
Herz und Hirn im Dialog. Herz sagt: Hurraaah, endlich mal wieder ein Schwedenfilm im Kino, noch dazu ein Krimi, das können die doch so gut. Hirn sagt: Momeeent, erst mal ne Nacht drüber schlafen und dann noch mal mit klarem Blick draufgeschaut. Hirn hat gewonnen! Denn bei aller Freude über das so seltene Erlebnis muss ich doch nach mehrmaligem Reflektieren immer mehr Abstriche machen und zugeben: Sooo gut ist der Film leider nicht geworden!
Vielleicht ist der Roman an sich schon nicht so gut, kann ich aber nicht beurteilen, da mir der Name Lars Kepler (nur ein Pseudonym) bislang gar nichts sagte. Und ob ich nach dem Film nun unbedingt einen ihrer Romane lesen muss, weiß ich auch noch nicht. Der wahre Grund für die leichte Enttäuschung ist anderswo zu suchen und hat sogar einen Namen: Lasse Hallström. Der Knabe ist nach einem glatten Vierteljahrhundert mal wieder in seiner Heimat aufgekreuzt, nur um sich an einem Genre zu versuchen, in dem er überhaupt keine Erfahrung hat. Und genau das sieht man auch! Ein Spezialist für gepflegte Literaturverfilmungen, gediegene Dramen oder ebenso gediegene Komödien ist eben nicht automatisch für alles andere auch geeignet. Und in diesem Fall fehlt einfach ein Regisseur, der dem teilweise etwas unfokussierten Drehbuch ein wenig Tempo und Leben einhaucht.
Hallström bringt seine Stärken fraglos gut zur Geltung, kümmert sich um Atmosphäre und das Zwischenmenschliche, vor allem im Zusammenspiel der exzellenten Akteure, doch wird das Zentrum der Story, die Motivation der Täter nämlich, sträflich vernachlässigt, was am Ende dazu führt, dass die Auflösung an sich irgendwie recht spannungsarm wirkt. Der Film verbringt sehr viel Zeit mit der Familie des Hypnotiseurs, doch was die Opfer betrifft, ihre Geschichte, ihr Umfeld, ihr Hintergrund, bleibt die Geschichte sehr dünn und vage, und wir bekommen überhaupt kein Gefühl für mögliche Tatmotive oder infrage kommende Täter. Die Spannung wird also nicht auf dieser Ebene erzeugt, sondern eher im Miteinander der Hauptfiguren, was an sich auch gut und schön ist, da es sich hierbei aber nun mal um eine Kriminalgeschichte handelt, erwarte ich schon, dass das grässliche Massaker zu Beginn irgendwie plausibel und wenn möglich auch spannend aufgelöst wird. So aber wird plötzlich gegen Ende die geisteskranke leibliche Mutter aus dem Hut gezaubert, die es irgendwie geschafft hat (wie, erfährt man allerdings nie), den empathisch ebenfalls minderbemittelten Herrn Sohn dazu zu bringen, seine gesamte Adoptivfamilie abzuschlachten und sich selbst so lebensgefährlich zu verletzen, dass er als Täter ganz unverdächtig erscheint. Das ist schon ein wenig krass und hanebüchen, und obwohl es am Schluss dann doch noch ordentlich aufregend wird, bleibt die Story an sich eher schwach.
Mikael Persbrandt ist natürlich ein toller Typ, legendär fast schon als Gunvald Larsson in der grossartigen Martin-Beck-Serie, und auch hier wirft er, mittlerweile attraktiv gealtert, sein zwiespältig schillerndes Charisma gekonnt in die Waagschale, doch leider wird auch seiner Rolle zu schnell das Ominöse, Geheimnisvolle genommen und er wird zu sehr reduziert auf den gestressten Ehemann und Papa eines entführten Sohnes. Na gut, man sieht immer mal, was aus dem Film hätte werden können, und man sieht auch, dass Herr Hallström die gut zwei Stunden nicht gerade optimal im Sinne eines hochklassigen Thrillers, der durchaus drin gewesen wäre, genutzt hat. Kein Vergleich jedenfalls mit den Stieg-Larsson-Filmen, kein Vergleich mit den besseren Wallander-Filmen, eher einzuordnen unter all die vielen anderen Versuche, aus teilweise erstklassigen Vorlagen annehmbare TV-Kost zu machen - siehe Arne Dahl oder Åke Edwardson, deren Romane bislang gut, aber eben nicht sehr gut umgesetzt wurden. Hallström ist im Kern halt zu lieb, um wirklich Abgründiges zuzulassen, Lachsfischen im Jemen ist viel eher seine Welt als ein Dreifachmord in Stockholm. Da hätte er doch besser einen Spezialisten rangelassen... (22.2.)