Möbius (Die Möbius-Affäre) von Eric Rochant. Frankreich, 2012. Jean Dujardin, Cécile de France, Tim Roth, Émilie Dequenne, Maksim Vitorgan, Vladimir Menshow, John Lynch, Wendell Pierce, Branka Katic
Was braucht ein richtig guter Spionagethriller? Attraktive Schauplätze (abgehakt: Monaco, Moskau), attraktive Hauptpersonen (abgehakt: Cécile de France und Jean Dujardin), eine möglichst undurchsichtige Geschichte aus einer für uns großen fernen Welt (passt auf jeden Fall!) und ein paar allmächtige Geheimdienste, die fies gegeneinander intrigieren (passt auch – Russen und Amerikaner, ganz wie früher!). Und der da Kalte Krieg ja leider vorbei ist und man sich einen neuen Schauplatz für solche Sachen suchen muss, bietet sich die Welt der sogenannten Hochfinanz an, denn die ist mindestens genauso brutal und korrupt und Ottonormalverbraucher wie wir steigen garantiert nicht durch.
Was ein richtig guter Spionagefilm aber vor allem braucht, ist ein Regisseur, der den Nerv hat, auf Stimmung und Atmosphäre zu setzen statt auf tumbe Action. Tja, das hat Eric Rochant getan, und deshalb ist „Möbius“ auch so gut gelungen. Nach dem flotten Einstieg mitten rein in eine recht unübersichtliche Gemengelage (eine forsche Investmentspezialistin wird angeheuert, einen russischen Oligarchen zu bespitzeln) biegt die Geschichte urplötzlich ab und wird zu einer formidablen Romanze, in der, wie es sich für das Genre eben gehört, beide Beteiligte nicht mit offenen Karten spielen. Sodass sich beide, als schließlich die triste Wahrheit doch ans Licht kommt, sprachlos und empört gegenüber stehen, denn beide fühlen sich vom anderen betrogen und das nicht zu unrecht. Er tut offiziell für die Russen, ahnt jedoch nicht, dass er längst am Bändel der Amis hängt, sie tut offiziell für die Amis, doch die spielen ein riskantes Spiel, das sie beinahe mit ihrem Leben, wahrscheinlich aber mit ihrem klaren Verstand bezahlen muss. Vor dieser Liebesgeschichte tritt der internationale Plot glatt in den Hintergrund, und es wird plötzlich irrelevant, ob man dem obskuren stinkreichen Russen irgendwas anhängen kann – ist eigentlich auch piepegal, denn wenn man einem das Handwerk legt, treten fünf andere an seine Stelle und kaufen sich den teuersten Grund und Boden an der Côte d’Azur zusammen. Die Geheimdienste selbst scheinen die ganzen Spielchen auch fast sportlich zu nehmen, man bewirft sich ein bisschen mit Dreck, setzt hier und da ein gezieltes Druckmittel in Bewegung, und vielleicht landet im fernen Land of the free auch mal eine Faust auf dem Tisch, aber so richtig echt engagiert ist da niemand mehr. Die Chargen sind es, die sich abstrampeln wie gewohnt, und sie nie genau wissen, wer nun auf wessen Seite und gegen wen operiert, und wenn sie Glück haben, überleben sie und wenn nicht, dann eben nicht. Wer sich da moralisch entrüsten will, wird augenblicklich eines besseren belehrt, denn was unsere Heldin da mithilfe einiger geschickt gezogener Strippen am globalen Finanzmarkt anzurichten versteht, ist ungleich amoralischer und in den Auswirkungen ungleich katastrophaler als alles, was die eifrigen Geheimdienstler anrichten könnten. Daran hat sich nichts geändert und daran wird sich auch nichts ändern – die Guten gibt es nicht, jeder ist auf eine Weise schuldig und mitverantwortlich, und wenn es die Guten tatsächlich doch noch gäbe, hätten sie garantiert nichts zu melden! Und nur weil wir erleben, wie sich unsere Helden ineinander verlieben, heißt das noch lange nicht, dass wir sie etwa zu den Guten rechnen könnten.
Rochant hat dies außerordentlich geschickt inszeniert - elegant, ruhig fließend, fast ein wenig dunkel, intensiv in den erotischen Momenten zwischen unseren Helden, teilweise sehr dicht und spannend, doch nur ein einziges Mal entlädt sich diese Spannung in einer handfesten Auseinandersetzung, ansonsten bleibt alles in der Schwebe, bedrohlich und doch nicht recht greifbar, ominös und obskur, und zwar für uns Zuschauer genau wie für die meisten handelnden Personen auch. Diese Stilsicherheit gemeinsam mit den beiden brillanten Hauptdarstellern macht einen sehr attraktiven und sehenswerten Genrefilm aus, der sich natürlich auf einige Vorbilder bezieht, der in dem mondän schillernden Monaco eine ideale Kulisse gefunden hat und dem das Kunststück gelungen ist, auf beste Weise Oldschool und dennoch ganz modern angelegt zu sein. (7.8.)